Die feinen Unterschiede #1 – Hochschulen und Studenten

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Geschafft! Das Abitur und die Schule mit ihren vielen engen Vorgaben und Regeln, sie sind vorbei. Viele junge Deutsche genießen diesen Moment und entscheiden sich dazu, dieses Gefühl der Freiheit noch ein wenig länger  auszukosten. Dazu gibt es etliche Wege: Entweder es wird ein wenig gejobbt und sich ansonsten die Zeit vertrieben, es wird ein Jahr als Au-Pair im Ausland gemacht, man arbeitet anderweitig eine Zeit lang im Ausland, oder reist am Besten ganz einfach so ein wenig durch die Welt.

 

Für viele beginnt danach dann das Studium, das mal mehr mal weniger ernst genommen wird: Vielleicht ein Fachwechsel hier, ein Sommersemester mit zu gutem Wetter da und schon vergehen die Semester wie im Flug und an Regelstudienzeit ist nicht mehr zu denken. Aber ehrlich gesagt: Wozu auch?! Was wartet denn nach dem Studienabschluss auf einen außer einem Leben voller Arbeit? Und die beginnt schon noch früh genug. Also sollten die paar Jahre davor doch richtig ausgekostet und nach Bedarf ausgedehnt werden.

 

So oder so ähnlich klingen die Biographien vieler deutscher Studenten. In unserem großen süd-westlichen Nachbarland hingegen sind sie die absolute Seltenheit, denn dort funktionieren Hochschule und Studentenleben deutlich anders:

 

Der erste Unterschied ist bereits das Eintrittalter ins Studium. Während in Deutschland bisher noch alle nach 13 Jahren Abitur gemacht haben, dann vielleicht im Ausland wahren, Zivil- oder Wehrdienst geleistet haben, ein FSJ machten oder vielleicht noch irgendetwas anderes und deshalb meist mit 20 oder Anfang 20 den Weg an die Uni fanden, sind Französische Erstsemester oftmals erst 17, bestimmt aber mit 18 an der Hochschule. Möglich wird dies durch nur 12 Jahre Schulzeit und der darauf folgenden sofortigen Immatrikulation an der Universität. Wobei zu Recht angemerkt werden darf, was soll man als Siebzehnjähriger schon tolles machen?! Einfach mit dem Auto durch Europa oder ans andere Ende der Welt fliegen und da mal ein Jahr Leben, ist als Minderjähriger mit Sicherheit nicht so gut möglich.

 

Doch einmal an der Uni, ändert sich an den Unterschieden, anders als man vielleicht gedacht hätte ziemlich wenig, was vor allem zwei Gründe hat. Zum einen das schon erwähnte Alter, zum anderen das sehr rigide französische Hochschulsystem. Dieses macht nämlich aus der Universität im Grunde nichts anderes als eine fortgeführte Schule. Dies bedeutet, dass es quasi keinerlei Wahlfreiheit gibt, weder bezüglich der Themen, noch bezüglich des Zeitpunktes, wann man diese behandeln möchte. Die Hochschule gibt einfach einen Studienverlaufsplan vor, der mit studentischer Freiheit nicht viel zu tun hat. Vielmehr kann man theoretisch am ersten Tag in der Uni wissen, was man im zehnten Semester für Kurse belegen wird. Apropos zehn Semester: Dass die beim Bachelor-Master-System anvisierten zehn Semester bei dem Studium an einer französischen Hochschule überschritten werden, ist absolut nicht eingeplant.

 

Dieses starre System trifft dann auf die meist noch so jungen Studenten, was den Effekt wohl noch verstärkt. Diese sind nämlich oftmals wahrscheinlich einfach noch nicht reif, oder reflektiert genug, um zu verstehen, was ihnen da für ein System vor die Nase gesetzt wird. Daher gibt es vor allem bei den jüngeren keine Form von Aufbegehren gegen dieses System, stattdessen machen sie alles so, wie sie es ja aus der Schule gewöhnt sind, einfach weiter.

 

So stellt es für sie auch kein Problem dar, wenn sich diese starren und starken Begrenzungen des Studiums auch innerhalb der Kurse zeigen: Dort findet nämlich meist Frontalunterricht statt, auch in den Seminaren, wobei den Studenten einfach immer weiter Klausurstoff vorgekaut wird, den diese dann wohlwollend abschreiben und in der Klausur runterbeten.

 

Von einer wissenschaftlichen Freiheit, die das Studium im Vergleich zur Schulzeit auszeichnen sollte, ist dort definitiv nichts mehr zu spüren.

 

Der Einwand hiergegen, dass auch viele französische Studierende sich gegen dieses System wehren und ein eher typisches Studentenleben führen, ist durchaus gerechtfertigt. Und auch in Deutschland fangen viele Abiturienten direkt mit dem Studium an und besonders in manchen Fächern *hust – BWL, Jura – hust* steht der Abschluss des Studiums in Regelstudienzeit über allem…

 

Jedoch ist diese Tendenz nicht vergleichbar mit der Massenhaftigkeit, wie sie an französischen Hochschulen auftritt. Denn statt mit gut 22 in einem Alter zu sein, das einen in die Lage versetzen sollte, das Hochschulsystem zu hinterfragen, werden viele dann nach ihren fünf absolvierten Jahren auch schon wieder aus dem Hochschulsystem ausgespukt. Bereit, in einen Job zu gehen und nicht mehr länger über das, was hätte an der Uni anders sein können, nachzudenken.

 

So sollten wir also, allem Ärger über Bachelor und Master zum trotz erkennen, dass es uns in Deutschland in dieser Hinsicht noch verdammt gut geht und der Weg in solche Verhältnisse, wie sie in Frankreich vorzufinden sind, definitiv noch nicht so stark vorgezeichnet ist, wie man manchmal glauben mag.

 


von chris am 18.Sep.2011 in globus

1 Kommentar


  1. Ja, wo sind die Zeiten hin… ich war 1969 in Paris und habe mir die neu asphaltierten Straßenkreuzungen in St. Michel zeigen lassen, die ein Jahr zuvor noch mit Straßenpflaster versehen waren…
    Dann lernten die Pflastersteine fliegen und die franz.Studenten protestieren.
    Vielleicht sollten die französischen Studenten mal Ihre Elten fragen…

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