Ein Abstecher nach Brunei, Tag 2 von 2
Heute gibt’s Papaya zum Frühstück: Gestern haben wir sie auf dem Nachtmarkt gekauft, heute Abend wollen wir dort wieder hin. Jetzt aber erst mal ab in die Stelzenstadt. Offiziell nennt man so etwas ja Wasserdorf, aber das klingt mir zu sehr nach Atlantis. Kampong Ayer heißt der Teil von Bandar Seri Begawan, der auf Stelzen aus dem Brunei Fluss ragt. Rund 40.000 Menschen wohnen hier, heißt es, und gerade ist ein Pilotprojekt des Sultans zur Verbesserung des Lebensstandards in vollem Gange – 65 neue, moderne Häuser werden gebaut.
Wir laufen zum Ufer des Flusses. Kaum sind wir angekommen, düsen schon drei Wassertaxis auf uns zu. Als das erste uns erreicht, geben sich die anderen zwei geschlagen und ziehen sich zurück. Wo wir hinwollen, fragt uns der Fahrer. Wir zeigen auf Kampong Ayer. Er nickt. Wir warten auf seinen Preisvorschlag und freuen uns, dass wir den fairen Preis schon von unserem Touristeninfomann Rudi kennen: ein Brunei Dollar pro Person. „Ein Brunei Dollar pro Person“, sagt der Wassertaxifahrer. Oh. Der will uns ja gar nicht abzocken. Etwas verwirrt steigen wir ein.
Die brandneue Touri-Info der Stelzenstadt ist groß, schick, sauber und menschenleer bis auf die vier Angestellten, die uns stolz zwei Tüten mit Infomaterial, Kugelschreibern und Anstecker in die Hand drücken. Dann behalten sie uns im Auge, sollten wir irgendetwas brauchen. Wir bleiben die einzigen Gäste. Es werde im Moment von der Regierung versucht, mehr Touristen nach Brunei zu locken, hat uns Rudi gestern erzählt. Allerdings hätten diese Bemühungen noch nicht sonderlich gefruchtet.
Nachdem wir zur Freude der Angestellten ein paar Fotos von der Aussichtsplattform des Centers gemacht haben, wandern wir in der Stelzenstadt herum. Abgesehen von den rostigen Dächern scheint alles aus Holz zu sein:Die Häuser sind mit hölzernen Stegen verbunden, manchmal fehlt eine Latte. Im Wasser treibt Müll. Der Fluss hat es nicht mehr weit bis ins Meer, und bei Ebbe gibt er hier und da schlammige, abfallverkrustete Flächen frei. Ist es ein heißer Tag – und wann ist es das nicht hier auf Borneo – fängt es dann richtig an zu stinken in Kampong Ayer. Aber die Häuser sind bunt, Pflanzen wachsen aus den Fenstern, Wäsche flattert auf den Terrassen. Ein ungewöhnlicher Ort, und überallhin begleitet einen das Knarzen von Holz, das Klacken von angetauten Booten gegen Pfähle und das Geknatter der Wassertaximotoren. Auch der Baulärm der neuen Siedlung mischt sich in die Geräuschkulisse. Schön, dass es hier nicht so aufgeräumt ist wie im Stadtzentrum auf dem Land.
Die Wassertaxis sind teils kreativ dekoriert und benannt. Ein „Red Ferrari“ zischt zum Beispiel an uns vorbei, bemalt mit viel Liebe zum Detail. „Er hat schon als kleiner Junge von einem Ferrari geträumt“, erklärt uns unser nächster Taxifahrer. „Jetzt hat er einen.“ Es geht flussaufwärts weiter, vorbei am aktuellen, am alten und am sich gerade im Bau befindenden Palast des Sultansin einen Seitenarm des Flusses. Wir nähern uns dem Ufer, der Motor wird ausgeschaltet. Still warten wir zwischen Mangroven, bis wir einige Nasenaffen entdecken, die sich in der Ferne von Baum zu Baum schwingen. Wenn wir doch nur ein Fernglas hätten!
Den Preis für die Fahrt mussten wir dieses Mal übrigens auch nicht groß verhandeln – „30“, schlug der Fahrer vor, und als wir kurz zögerten, senkte er sein Angebot auch schon auf die handelsüblichen 20 Brunei Dollar. Wie man Touris abzockt, das haben sie hier wirklich noch nicht ganz raus, und das ist auch mal ganz angenehm.
Um 14 Uhr müssen wir an der Jame’Asr Hassanil Bolkiah Moschee sein, die wir dann und nur dann als Touris von innen sehen können. Die sowieso schon restriktiven Zeiten für Besuche sind diese Woche stark eingedampft, da Vorbereitungen für ein religiöses Fest im Gange sind.
Wir nehmen einen der dunkellila Stadtbusse und kommen um halb zwei an. Diese Moschee ist deutlich größer als die Sultan Omar Ali Saifuddien Moschee und dem aktuellen Sultan gewidmet. Das Gebäude ist mit Dekorationen aus pastellfarbenen Kacheln bedeckt, die mächtigen Kuppeln glänzen golden. Es gibt sternförmige Springbrunnen, die Gärten sind großzügig angelegt und die Säulengänge ausladend.
Gespannt gehen wir um kurz vor zwei zum Eingang. Nur um herauszufinden, dass die Touri-Besichtigungszeit für heute gestrichen wurde, weil doch schon einen Tag früher mit den Vorbereitungen für das Fest angefangen wird. Aber wir haben doch extra nochmal gefragt… Der Aufseher schüttelt den Kopf und verschränkt seine Arme. Verdammt. Die ganze Woche lang hat also kein Tourist diese Moschee von innen gesehen. „Welcome to Brunei!“ sagt Rudi, als wir ihm später davon erzählen. Voraussehen hätte man das nicht können, bestätigt er. Touristen seien hier einfach noch nicht wichtig genug, als dass man verbindliche Pläne aufstellen würde.
Die Enttäuschung überwinden wir, indem wir noch mal zum Nachtmarkt fahren und unsere Lieblingssüßigkeiten kaufen. Die Händler scheinen sich von gestern noch an uns zu erinnern und lächeln, als wir auf sie zukommen. So kompliziert zu bedienen waren wir dann wohl doch nicht.
Nach ausgiebigem Zuckergenuss laufen wir die gut drei Kilometer zurück zu unserer Unterkunft. Auf dem Weg wimmelt es geradezu von Menschen mit Heckenscheren und Rasenmähern. Nachts wird Bandar Seri Begawan nämlich aufgeräumt und gepflegt, damit es am nächsten Tag wieder in wohlgeordneter Sauberkeit erstrahlt. Die Arbeiter schalten ihre Maschinen aus, um uns nachzusehen. Außer ihnen und uns sind alle mit dem Auto unterwegs.
Am nächsten Morgen geht es auch schon zurück auf die Insel Labuan, wo wir auf unserem Weg ins malaysische Kota Kinabalu einen kurzen Zwischenstopp einlegen wollen. Unser Gesamteindruck von Brunei? Abgesehen von unserer Unterkunft: stolz und nicht ganz so einladend wie manch andere asiatische Länder, aber es gibt viel zu sehen. Für uns hat es sich gelohnt.
Vor einem Jahr war Barbara mit ihrer Schwester in Südostasien unterwegs. Hier beschreibt sie ihre spontane Reise nach Brunei – zwei Tage in zwei Teilen. Zum ersten Teil geht’s hier.