Anti-ACTA-Aktionstag No. 3: Ein Bericht aus fünf Städten (Update)

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Am 9.6.2012 war erneut zum Protest gegen das ACTA-Abkommen aufgerufen: In mehr als 100 Städten weltweit demonstrierten die Bürger gegen das im Geheimen verhandelte Abkommen, das – bei einer Ratifizierung – zu einer großen Gefahr für das freie Internet werden könnte.

 

Nachdem wir bei den letzten beiden Aktionstagen jeweils nur von den Demonstrationen in Berlin berichteten, waren Schreibstoff-Autoren diesmal in fünf Städten in drei Ländern dabei: Berlin, Karlsruhe, Lissabon, München und Toulouse…

Berlin


 

Als ich um 12 Uhr zur Oberbaum-Brücke laufe, ist von der Demo nicht viel zu sehen. Zwei Mädchen stehen mit Anti-ACTA Transparenten vor dem Aufgang zur Brücke. “Da drüben ist die Demo,” sagt die eine und deutet lächelnd in Richtung Universal Music.

 

Vor der Berliner Zentrale des multinationalen Unterhaltungskonzerns hat sich eine Gruppe von zunächst ein- bis zweihundert Menschen versammelt. Die Stimmung ist entspannt, das Kräfteverhältnis zwischen Demonstranten und Polizisten zunächst fast ausgeglichen…

 

Die Demonstranten sitzen oder stehen in Grüppchen zusammen, die Polizisten auch. Transparente werden gemalt. Irgendwann erscheint der Demowagen, und wird vorbereitet. Eine große Gelassenheit liegt über dem kleinen Platz vis-à-vis von Universal.

 

Nach einer Rede von Markus Beckedahl und einer von mspro (im Wortlaut) setzt sich der Demonstrationszug – begleitet vom obligatorischen Berliner Demo-Techno – in Bewegung…

 

 

Im Verlauf der Route wächst die Teilnehmerzahl auf 500 bis 1000 Demonstranten an. Durch den Friedrichshainer Kiez geht es anschließend weiter zum Alexanderplatz und von dort zum Rosa-Luxemburg-Platz. Am Alexanderplatz verlasse ich die Demo.

Karlsruhe


 

 

Am Marktplatz in Karlsruhe hatte sich eine kleine Masse gebildet – bestehend aus Mitgliedern und Anhängern der Piraten-Partei, aber auch Flaggen der Grünen sowie der Links-Partei waren zu sehen.

Ein Sprecher der Piraten erklärte zusammenfassend die Inhalte von ACTA und wie wir durch ACTA unbewusst alle zu Kleinkriminellen werden. Und so hörte sich das Ganze dann an:

Filesharing gilt als Hilfe und Ermunterung zur Urheberrechtsverletzung, auch auf Communities wie Facebook und Twitter, wenn Inhalte geteilt werden.

Ohne die Erlaubnis ist das Sharing eine Straftat.

Provider sind haftbar für ihre Nutzer, ergo Vorratsdatenspeicherung und Sperrung des Contents.

Kopierschutzmaßnahmen dürfen nicht mehr ohne weiteres umgangen werden.

Das ACTA-Komitee interpretiert im Geheimen die Inhalte von ACTA ohne Einbeziehung von nationalen oder europäischen Parlamenten.

Die deutsche Übersetzung ist nichts wert, da nur die englische, spanische und französische Übersetzung von ACTA rechtskräftig ist.

Nahezu überall waren Flyer zu sehen, in denen die Bedeutung von ACTA und ihre Auswirkungen auf die digitale Freiheit kurz auf den Punkt gebracht wurden.

 

 

Gegen 14:20 zog schließlich die ca. 150-köpfige Gruppe durch die Fußgängerzone am ECE vorbei, hin zum Kronenplatz. Die Schutzbegleitung durch die Polizisten war überschaubar; aber auch deshalb, weil alles friedlich vonstatten ging. Aus einem Auto, das die Masse anführte, lief ständig laute Musik von Deichkind wie „Bück dich hoch“. Der Sprecher, der auf einem Anhänger hinter dem Auto saß, schrie ständig: „Wessen Freiheit – unsre Freiheit,“ oder „Fuck ACTA“.

 

Oder auch gut: „Wer nicht hüpft der ist für ACTA.“ Dieser hatte jedoch bei den Passanten keine Wirkung, die in ihren Cafés saßen und verdutzt in die Menge schauten. Anders die Demonstranten, sie brüllten und hüften, als wollten Sie die Kaffeetassen zum wackeln bringen.

 

 

 

Lissabon


 

 

Als ich am Praca de Camoes, Lissabon, den ich im Vorhinein als Treffpunkt bzw. Veranstaltungsort nach einigem Durchforsten des Internets ausfindig machen konnte, eintraf, hielt ich mich zunächst für zu spät. Nach den ersten Schrecksekunden und panischen Gedanken ich könne mein gegebenes Versprechen nicht einhalten, sagte mir der Blick auf die Uhr, dass ich nur 15 min zu spät war, sprich viel zu früh für portugiesische Verhältnisse. Meine Erkenntnis änderte aber nichts an der Tatsache, dass auf dem Platz wenig auf Demonstration hindeutete. Meine morgendliche Recherche ergab noch, dass sich mehr als 300 Leute auf der Internetseite des Veranstalters angekündigt hatten und insgesamt mehr als 3.000 Leute eingeladen waren. Tatsächlich anwesend waren die Veranstalter, die auch fleißig Flugblätter an die vorbeitrottenden Passanten, samstäglichen Shopper und Touristen verteilten. Vielleicht lag es an dem Thema, an der Sprache oder aber den 32° im Schatten, dass die Flugzettel kaum zur Kenntnis genommen wurden und teilweise gleich in den nächsten Papierkorb gewandert sind.

 

Nun kann man sich die Frage stellen, interessieren sich die Portugiesen denn gar nicht für ihre Privatsphäre im Internet oder Zensur, oder haben sie schlicht und einfach genug vom Demonstrieren. An Themen haben sie ja genug: Krise, 16% Arbeitslosigkeit, steigende Inflation, radikale Streichung ihrer Feiertage. Oder aber erreicht die Thematik um ACTA nicht die breite Masse durch die öffentlichen Medien und die Portugiesen wissen schlicht nicht um ihre geplante Freiheitskürzung?

 

Auf Grund der mangelnden Demonstranten und der leicht zu identifizierenden Veranstalter wurden meine Fragen zu ACTA in Portugal von diesen gern und großzügig beantwortet.

 

So wurde mir mitgeteilt, dass im Januar diesen Jahres die Gesetzesvorlage von der jetzigen Regierung unterzeichnet wurde, ohne die Mitwirkung des Parlaments. Auf Nachfrage der Öffentlichkeit äußerte sich die jetzige Regierung zu ACTA dahingehend, nicht anders handeln zu können, da ihre Vorgänger bereits eine Unterzeichnung zugesichert hatten. Sprich hier wird der schwarze Peter verschoben, denn in der Tat: ACTA ist auch bei den portugiesischen Wählern nicht gern gesehen.

 

Zur Frage warum denn so wenig Protestierende erschienen sind, wurde mit den Achseln gezuckt. In den öffentlichen Medien ist die Thematik verbreitet, und auch bei der Demonstration im Februar in mehreren portugiesischen Städten wie Coimbra, der bekanntesten Studentenstadt, oder Lissabon, war der Andrang bzw. Erfolg weitaus größer. Möglich ist hier, dass durch die Organisation der letzten Veranstaltung über Anonymous mehr Menschen angesprochen wurden.

 

Auf die Frage, warum die portugiesische Regierung die Gesetzesvorlage unterschrieben habe und welchen Nutzen sie sich davon für Portugal verspreche, äußerte der Veranstalter die Vermutung, dass sich Portugal einem Druck aus Amerika gebeugt habe. Für kleine, sich in der Krise befindlichen Länder ist die ACTA-Regelung eher schädlich denn nützlich.

 

Im Allgemeinen habe ich das Gefühl Portugal schaut auf das europäische Parlament in der Hoffnung Europa wird das schon richten und allgemeingültig die Regelung ablehnen.

 

 

 

 

München


 

 

München, Treffpunkt am Stachus, 13 Uhr. Nicht einmal 100 Menschen haben sich vor dem Lautsprecherwagen zusammengefunden, als der erste anti-ACTA Redner das Mikrofon in die Hand nimmt. Es nieselt leicht. Ein paar Polizisten stehen gelangweilt am Rand der Versammlung, ein paar Pressephotographen sind auch da. Vorsichtshalber, will man fast sagen. Die Demonstranten halten ihre Plakate trotzdem optimistisch in die Höhe. Einige Guy Fawkes Masken werden auf Hinterköpfen positioniert und gucken mit haarigen Augen in die Runde. Da eine Münchner Neonazi-Gruppe zum anti-ACTA Protest aufgerufen hat, sind auch anti-Nazi Plakate zu sehen; sichtbar macht sich die Gruppe aber nicht. Von den politischen Parteien sind die Piraten, die Grünen, die Jusos und die Partei der Vernunft fahnenschwenkend am Start. Nach einigen Reden brechen an die 250 Menschen hinter dem Fronttransparent „ACTA ad ACTA“ in Richtung Goetheplatz auf.

 

 

Es gibt Parolen zu rufen, es läuft anti-ACTA Musik. Nach einem Stopp mit weiteren Reden zieht die Demonstration wieder zum Stachus zurück, mittlerweile bei trockenem Wetter, aber ohne zusätzliche Anhänger. Bis zum Ausklang um 15.30 bleiben noch ein paar Passanten stehen und hören ein bisschen zu. Die meisten strömen allerdings sofort in die Fußgängerzone, in der gerade eine andere, sichtbare Massenbewegung stattfindet: die Samstagsbummelei ist in vollen Zügen. Na ja. Nachdem das EU Parlament seine ACTA Sitzung nun verschoben hat, kann man hoffen: vielleicht hat bei der nächsten Demo wieder jemand Zeit.

 

 

 

Toulouse


 

 

Auch in Toulouse gab es eine Kundgebung zum europaweiten Protesttag gegen das ACTA-Abkommen. Auf dem Place Arnaud Bernard versammelte sich jedoch nur eine kleine Gruppe von etwa 50 Demonstranten um gegen die Pläne der EU zu demonstrieren. Von abwartender Polizei und Passanten beobachtet starteten sie einen kurzen Umzug durch die Stadt.

 

 

 

 

 

 

Wien (Update)


Hier noch ein schön gemachtes Video von der Anti-ACTA-Demo aus Wien.
 


von redaktion am 11.Jun.2012 in politik

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