Ein längst überfälliger Schritt

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Christian Wulff, Foto: Stiftung Stadtgedächtnis (CC BY-NC-ND 2.0)

Betrachtete man nur diesen Auftritt: Wulff, der gemeinsam mit seiner Frau im Schloss Bellevue vor die Presse tritt, zunächst auf das Thema seiner Amtszeit, die Integration in Deutschland eingeht und dann von den persönlich harten letzten Wochen, aber auch von eigenen Fehlern spricht. Betrachtete man nur diesen Auftritt, man könnte das Gefühl bekommen, es handele sich hier um den zwar fälligen, aber rechtzeitig begangenen Schritt des Rücktritts. Ein Schritt der dem Beschädigten ein gewisses Maß an Würde und Ansehen zurückgibt.


Diesen Anschein erweckte Wulff auch. Es schien, als hätte er zum ersten mal im Laufe der gut zweimonatigen Affäre einen würdevollen Auftritt absolviert. Zumindest diesen einen Letzten will man sagen. Fast hätte man es ihm jetzt ja sogar doch gegönnt. Einzig, auch hier trügt der Schein wieder einmal nur.


Denn der Auftritt verliert sofort die erzeugte Wirkung, setzt man ihn in den Kontext der letzten zwei Monate. Auf einmal steht da nämlich nicht mehr der Mann, der wusste, wann es Zeit war zu gehen. Nein. Auf einmal hat man wieder das Bild des Mannes vor Augen, der über zwei Monate hinweg taktierte, verschwieg und leugnete, um nur irgendwie doch sein Amt behalten zu können – es in den Augen der Bürger letztlich dadurch aber endgültig verspielte.


Ganz in diesem Zeichen steht daher auch sein letzter Auftritt. Denn dieser war keines Wegs das zwar späte, aber immerhin doch noch erlangte wahre Eingeständnis der eigenen Fehler. Stattdessen führte zu Wulffs jetziger Entscheidung einzig der bisher beispiellose Akt der Hannoveraner Staatsanwaltschaft, die Aufhebung seiner Immunität zu beantragen. Dieses unwürdige Verfahren war dann sogar ihm zu viel, der in den letzten Wochen für eine Reihe von unwürdigen Auftritten gesorgt hatte. Bei Wulffs Rücktritt handelt es sich daher auch nicht mehr um seine eigenmächtige Entscheidung. Vielmehr ist dies nur noch die ‘alternativlose’ Handlung einer Person, die droht auch noch die letzte Entscheidungsgewalt über sich zu verlieren. Der Versuch, dass Gesicht noch zu wahren, als dieses schon längst verloren ist.


Vor ein paar Jahren gab es nach den Rücktritten von Horst Köhler, Ole von Beust und Roland Koch die Diskussion, ob Politiker in hohen Ämtern heutzutage zu früh zurücktreten und damit ihrer Verantwortung nicht gerecht werden würden. Den Kritikern von damals kann nun das Beispiel Christian Wulff entgegengehalten werden. Denn ein Rücktritt zur rechten Zeit hat nur selten etwas von einer verantwortungslosen, feigen Flucht. Viel ehrloser ist es hingegen, sich seiner Verantwortung nicht zu stellen und um jeden Preis eine Affäre aussitzen zu wollen. Das hat der Fall Wulff eindeutig bewiesen.


von chris am 18.Feb.2012 in politik

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