Katja Kipping: Die (fast) unbemerkte Hoffnungsträgerin

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Neue Vorsitzende der Linkspartei: Katja Kipping // Foto: dielinke_sachsen (CC BY-NC 2.0)

Ließt man die Schlagzeilen zum Parteitag der Partei DIE LINKE in Göttingen, tauchen immer wieder die Namen Lafontaine, Bartsch und Riexinger auf. Mit ihnen verbunden sind Berichte über tief sitzende politische Rivalitäten und persönliche Streitereien. Sie erzeugen das Bild einer Partei, deren Grabenkämpfe zwischen einem auf Radikalopposition ausgerichteten West-Flügel und einem pragmatischen Ost-Flügel derart ausgeartet sind, dass eine baldige Aufspaltung der Partei mehr als möglich erscheint. Sie sorgen dafür, dass DIE LINKE für viele eine Partei im Untergang darstellt, deren politische Ziele schwammig, deren politische und persönliche Differenzen unter den Mitgliedern dafür aber umso ausgeprägter sind.

 

Lafontaine, Bartsch, Riexinger: Die Namen der Unruhe und des Streits – und die bestimmenden Namen des Parteitags. Dabei geht bei all dem Getöse jedoch unter, dass keiner von ihnen an diesem Wochenende auf den Posten des oder der ersten Parteivorsitzenden gewählt wurde. Diesen Parteiposten hat nämlich seit dem Wochenende Katja Kipping inne – auch wenn das bei allem Streit schnell zur Nebensache wurde. Doch trotz der eher geringen Beachtung, die ihrer Wahl zukam, war die Entscheidung für sie eine äußerst wichtige und richtige.

 

Persönlich und politisch eine Bereicherung für die Partei

 

So wird mit ihr wohl ein neuer Politikstil in die Führung der Partei einziehen. Denn spätestens die Ereignisse des Wochenendes haben gezeigt, dass ein kompromissloser, machtorientierter und nur den persönlichen Interessen verpflichteter Politikstil à la Lafontaine nicht nur ein riesiger Anachronismus ist, sondern gleichzeitig auch die Partei in den sicheren Untergang bringen wird. Kipping hingegen steht für einen anderen, ‚jüngeren’ Politikstil, der geprägt ist durch Kompromissbereitschaft und den echten Willen zum Dialog zwischen den Parteiströmungen. Dabei ist ihre Dialogbereitschaft nicht auf die eigene Partei beschränkt. Als Gründungsmitglied und Sprecherin des Vorstands des Instituts Solidarische Moderne (ISM) zeigt sie, dass ihr das Ausarbeiten und Erreichen einer modernen linken Politik auch weit über die Parteigrenzen hinweg in Zusammenarbeit mit SPD und Grünen wichtig ist und somit weit über dem parteitaktischen Kalkül steht. Eigenschaften, die sehr erfrischend und sympathisch wirken verglichen mit dem Politikverständnis vieler in ihrer Partei.

 

Und auch inhaltlich steht sie für eine Reihe von Forderungen, die um vieles moderner wirken, als die Vorstellungen des Gros ihrer Partei. Besonders zentral ist dabei u. a. die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, für die sie sich jahrelang als Sprecherin des Netzwerkes Grundeinkommen eingesetzt hat. Bei diesem, wie auch bei anderen sozial- und gesellschaftspolitischen Themen zeigt sich ihre gesellschaftsliberale und demokratische Grundeinstellung. Postmoderne, emanzipatorische Werte, die weit entfernt sind von der im Industriezeitalter verhafteten Arbeitsplatzbeschaffungspolitik all der Gewerkschaftsnahen und anderer sozialistischer Betonköpfe in ihrer Partei.

 

Das Potential ist sicher – ob sie sich durchsetzen kann nicht

 

Ihr Auftreten, ihr Umgang und ihre politischen Ideen sind somit in fast jeder Hinsicht eine Frischzellenkur für ihre darbende Partei. Ob sie damit auch Erfolg haben wird, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

 

Denn noch ist nicht absehbar, welches Gewicht dieser klugen und sympathischen Frau in Zukunft trotz ihrer Position zukommen wird und ob sie der Partei dauerhaft ihren modernen gesellschaftsliberalen Sozialismus vermitteln kann, oder ob beispielsweise die Riege um den wieder erstarkten Oskar Lafontaine die Politik der Partei nach ihren Vorstellungen ausrichten kann. Genauso wenig lässt sich sagen, ob sie alleine in der Lage sein wird, die tiefen Gräben zwischen den einzelnen Strömungen in der Partei überwinden zu können, oder ob ein Großteil weiterhin auf Konfrontationskurs gehen wird.

 

Sicher ist einzig und alleine, dass in ihrer Wahl an die Spitze der LINKEN eine große Chance liegt. Und dass ihre modernen sozialistischen Ideen und ihr Politikstil nicht nur ihrer Partei, sondern auch der ganzen linken Politik in Deutschland mehr als gut tun könnten.


von chris am 04.Jun.2012 in politik

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