Sei bieder. Sei ideenlos. Sei Berlin

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Einen politischen Rahmen für die Probleme Berlins kriegt Klaus Wowereit wohl nicht mehr hin...
Foto: Be Berlin (CC BY-NC-SA 2.0)

Sehr zufrieden über den gelungenen Abschluss zeigten sich am Mittwoch bei der Pressekonferenz die Spitzenkandidaten von SPD und CDU, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der wohl zukünftige Innensenator Frank Henkel. Zumindest bei letzterem dürfte die Freude ein wenig aufgesetzt gewesen sein. Klar, die CDU hat erreicht, womit vor der Wahl die aller wenigsten gerechnet hätten. Sie regiert wieder mit in Berlin. Dafür musste sie auf inhaltlicher Seite allerdings mehr als nur ein paar Zugeständnisse machen: City-Tax: Wird eingeführt. Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Bleibt bestehen. Jahrgangsübergreifendes Lernen (JÜL): Bleibt, die Entscheidung wird den Schulen nur ab nun selbst überlassen. Drei Punkte, in denen die CDU ihre Forderungen aus dem Wahlkampf aufgeben musste. Die Liste könnte jedoch problemlos fortgeführt werden.

 

Man könnte nun sagen, dass die CDU einfach pragmatischer im Umgang mit Streitpunkten ist, als es beispielsweise die Grünen waren. Wegen deren striktem ‚Nein’ zum A100-Ausbau platzten ja bekanntlich die Koalitionsverhandlungen mit der SPD (zumindest aus Sicht der SPD). Andererseits kann der CDU aber vollkommene politische Beliebigkeit unterstellt werden. Denn sogar als unumstößlich geltende Forderungen, wie die Rücknahme der Kennzeichnungspflicht für Polizisten, werden fallen gelassen, um nur irgendwie an der vor kurzem noch unverhofften Macht zu teilzuhaben. Andererseits kann die Aufgabe der meisten inhaltlichen Punkte so schwer nicht geschmerzt haben, denn sie schien es auf jeden Fall wert gewesen zu sein, um nun mitregieren zu können. Die taz spricht auf jeden Fall schon von der „SPD-Regierung“ und hat damit nicht Unrecht.

 

Beschweren sollte man sich darüber jedoch nicht. Es ist auf jeden Fall allemal besser, als wenn in dieser so absolut nicht zu Berlin passenden Regierung die CDU auch noch ihre teilweise steilen Forderungen durchbekommen hätte. Das größte anzunehmende Übel ist also ausgeblieben. Das heißt jedoch nicht, dass die neue Regierung und ihre Beschlüsse in irgendeiner Weise positiv wären für die Stadt und ihre Bürger. Im Gegenteil wird nämlich das, was nun folgen wird, schon schlimm genug sein für viele Berliner. Denn die Themen die den Menschen wirklich unter den Nägeln brennen, werden gar nicht oder nur unzureichend behandelt. Zu nennen sind da vor allem die Wohnungs- und Mietsituation und die S-Bahn-Probleme.

 

Die wirklichen Probleme werden nicht angegangen – und wenn nur unzureichend

 

Bei letzterer werden jetzt Überlegungen angestellt, sie vielleicht von der Stadt kaufen zu lassen und dann teilweise zu privatisieren. So als wären die im Privatisierungswahn der Deutschen Bahn getroffenen Sparmaßnahmen nicht schon schlimm genug gewesen und haben die Berliner S-Bahn nicht krank geschrumpft. Ein derartiger Schritt würde diese Entwicklung nur fortsetzen. Doch egal welche Gedankenspiele die Regierung nun anstellt, es wird auch in diesem Winter in Berlin schneien und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt haben. Einzig, auf eine derartige „Ausnahmesituation“ wird man wieder nicht gefasst sein, trotz der Offenkundigkeit der Probleme.

 

Bei der Mietsituation sind die Probleme auch offenkundig, doch auch hier ist ein engagiertes Vorgehen Fehlanzeige. Zumindest keines, dass den Problemen auch gerecht würde. So sollen beispielsweise von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften künftig 6.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Viel zu wenige jedoch, um das derzeitige Mietpreisniveau zu halten. Mit einer höheren Grunderwerbssteuer soll die Spekulation auf Wohnungen eingedämmt werden. Nur liegt diese bei mageren 0,5%. Bei weitem nicht ausreichend um dem Treiben auf dem mehr als lukrativen Berliner Wohnungsmarkt Einhalt zu gebieten. Aber was sollte man auch erwarten, wenn selbst Klaus Wowereit davon spricht, dass Mieterhöhungen in attraktiven Vierteln auch gut sind und dazugehören?! Bleibt an sich also nur die Frage, wie weit sich die Preisspirale nach oben drehen wird. Politische Gegenwehr ist in den nächsten fünf Jahren aber wohl nicht mehr zu erwarten.

 

Doch passt das ja zu einem Berlin, von dem sich Klaus Wowereit wünscht, dass es „reicher wird und sexy bleibt“. Auch wenn dies in den Augen vieler einen nahezu unüberwindbaren Gegensatz darstellt. Die Politik, die die zukünftige Regierung anstrebt, hat auf jeden Fall nichts an sich, dass sexy wäre. Vielmehr ist sie eine einzige Ausgeburt an Ideenlosigkeit und fehlendem Willen zur politischen Lösung der gegenwärtigen Probleme. Man würde am liebsten lachen – wenn das nicht alles so traurig wäre.

 


von chris am 17.Nov.2011 in politik

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