#trialeaks: Und täglich grüßt das Großprojekt?
Der Verlauf von Großprojekten wie Stuttgart21 oder des BER-Airports hat in letzter Zeit immer schwerwiegendere Zweifel an Bauvorhaben dieser Größenordnung aufkommen lassen. Neben der Frage nach der generellen Sinnhaftigkeit dieser Projekte steht dabei vor allem auch die vollkommen intransparente Planung im Zentrum der Kritik. Zu den oben genannten Projekten kann man dabei ohne Weiteres etwa noch die Elbphilarmonie oder den Nürburgring hinzuziehen. Vielleicht reiht sich dort bald jedoch auch das geplante Pumpspeicherwerk (PSW) am Nationalpark Eifel ein.
Am dortigen Rursee möchte der Energiehändler Trianel ein eben solches PSW bauen. Dies würde jedoch dramatische Folgen für den See und die ganze Region haben, befürchten viele Anwohner: Zum einen würde der äußerst niedrige Wasserstand in der jahrelangen Bauphase (insgesamt soll mindestens sechs Jahre gebaut werden) und der anschließende Tidenhub durch die Pumpvorgänge von bis zu zwei Metern in sechs Stunden den Naturraum in und um den See dauerhaft schädigen. Zum anderen würde dadurch auch der naturnahe Tourismus im und am Nationalpark, Hauptwirtschaftsfaktor der strukturschwachen Region, stark gefährdet werden, so befürchten die Kritiker. Das Einlaufbauwerk soll im idyllischen Naturschutzgebiet „Schilsbachtal” entstehen und dort mehr Wasser pro Sekunde in den Rursee abgeben als die Mosel bei Koblenz in den Rhein. Und wie sollen die prognostizierten ca. 200.000 Massentransporte in der Bauzeit durch die engen Orte und Straßen des Rurtals donnern, ohne Schäden an Mensch, Natur und Straßen zu hinterlassen?
Bürgerinitiative entfacht Protest
Daher hat sich seit einigen Monaten eine Bürgerinitiative (BI) daran gemacht, das Großprojekt doch noch zu stoppen. Unter dem Namen „Rettet den Rursee“ finden seitdem Informationsveranstaltungen und Aktionen statt, die auf große Zustimmung treffen. So wurden in der dünn besiedelten Region mittlerweile rund 4.000 Unterschriften gegen das PSW gesammelt.
Vorläufiger Höhepunkt war jedoch eine Demonstration am letzten Samstag, zu der trotz Nieselregen rund tausend Teilnehmer kamen (Video) – das Städtchen Heimbach, in dem die Demo stattfand, hat selbst nur ca. 4.500 Einwohner in seinem gesamten Stadtgebiet. Sogar der Abt des nahe gelegenen Trappistenklosters Mariawald brach sein Schweigen, um auf der Bühne seine Ablehnung des PSW kund zu tun.
Vertreten waren bei der Demonstration Anwohner, genauso wie Besucher aus dem Rheinland oder den Niederlanden, für die die Rureifel ein wichtiges Naherholungsgebiet ist. Dabei umfassten die Teilnehmer alle Altersgruppen und Parteien. Über Parteigrenzen hinweg positioniert sich eine überwältigende Mehrheit der lokalen Politik überzeugt gegen das Großprojekt. So hat in zwei der drei Anrainergemeinden (Heimbach und Nideggen) die Stadtverwaltung den Bau frühzeitig abgelehnt. Aber auch der Kreistag des Landkreises Düren hat sich vor einigen Tagen mit Ausnahme der einzigen Grünen Abgeordneten geschlossen gegen den Bau des PSW ausgesprochen.
Neue Vorwürfe setzen Trianel weiter unter Druck
Das weitere Schicksal das Region liegt nun in den Händen des Regionalrats in Köln, der am Freitag über eine für das Bauvorhaben notwendige Regionalplanänderung abstimmt. Die Umwidmung von Wiesen und Wäldern in Industriefläche. Kurz vor diesem entscheidenden Termin hat die Öffentlichkeit von der Existenz interner Trianel-Papiere erfahren, die die Zweifel an dem Projekt noch verstärken. Besonders „die CDU-Fraktion ist äußerst erzürnt”, wie Hans-Willi Dohmen, für die CDU Mitglied im zuständigen Regionalrat, der Kölnischen Rundschau mitteilte. Noch zugespitzter formuliert es im selben Artikel Stefan Götz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Bezirksplanungsrat, der Trianels Verhalten als „ziemlich blamabel“ bezeichnet und es für möglich hält, „dass das Projekt im Regionalrat kippt”, da man sich fragt: „Wie glaubwürdig ist Trianel eigentlich noch?“
Das alles setzt Trianel wohl derart zusätzlich unter Druck, dass man zu bisher noch nicht gekannten Maßnahmen greift: So sah man sich bei Trianel in Aachen jetzt dazu veranlasst, rechtliche Schritte gegen die BI einzuleiten. Trianel droht der BI „Rettet den Rursee“ e.V. mit einer Klage. Die BI ist der Meinung, um „die Veröffentlichung von Informationen, die die wahren Absichten des Unternehmens zeigen, zu verhindern“, wie es auf der Seite der BI heißt und mahnt sie für die angebliche „Verwendung und Verbreitung des ‘Projektbericht Trianel Wasserspeicherkraftwerke Deutschland (TWD)’“ ab.
Die Intransparenz bei Großprojekten gibt’s gratis dazu
Scheinbar sieht da jemand sich und sein Projekt arg unter Druck gesetzt und glaubt nicht mehr an die Kraft der eigenen Argumente. Sonst jedenfalls würde der sprichwörtliche Goliath in diesem Fall wohl kaum zu solchen Mitteln greifen beim Versuch, dem David Einhalt zu gebieten. Sonst würde man es nicht für nötig halten, eine einstweilige Verfügung gegen die BI „Rettet den Rursee“ zu erwirken um so jegliche Weiterverbreitung des Berichts zu verbieten, nur weil dieser angeblich „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse“ enthalte.
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die verhindern, dass sich Bürger und Politiker ein besseres Bild von der Sachlage machen können? Wenn hier kein Recht auf Information für alle politischen Entscheidungsträger und Betroffenen besteht, wo dann? Da hilft es auch kaum, dass Trianel nun verlauten lässt, diese Pläne aus dem Dezember 2012 hätten heute keine Gültigkeit mehr. Denn zum einen wirkt es erschreckend, wie schnell bei einem Projekt dieser Größenordnung (offiziell: 700 Millionen Euro) Pläne scheinbar stark verändert werden können. Zum anderen lässt sich diese Aussage nur schwer auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, da die angeblichen neuen Pläne natürlich wieder strikter Geheimhaltung unterliegen.
Vor diesem Hintergrund wirken Aussagen wie die des grünen Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer, „Sprecher für Energiewirtschaft”, selber aus der Region und PSW-Befürworter wie blanker Hohn: „Was Trianel an Transparenz betrieben hat, ist beispiellos, mehr kann man nicht machen.“
Intransparenz bei Großprojekten, war da nicht was?! Die anfangs erwähnten „Erfolgsprojekte“ strotzen jedenfalls alle nur so davor. Wir dürfen also gespannt sein, ob sich auch Trianels Pumpspeicherwerk am Rursee in dieser illustren Liste der Stuttgart21s und BERs einreihen wird, sollte der Regionalrat zustimmen.
Zum Autor:
Nicht alle Berliner kommen auch von dort. Und so ist auch der Autor dieses Artikels ursprünglich aus der Eifel, war als Jugendlicher im Rursee baden, weiß um die Schönheit der unberührten Natur und ist begeistert, welchen Protest die manchmal etwas verschlafene Eifel, wenn es nötig ist, auf die Beine stellen kann.