Filmvorstellung: Samsara

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Foto: Samsara-Trailer (Screenshot Vimeo)

Zwanzig Jahre nachdem Ron Fricke mit Baraka dem Dokumentarfilm eine ganz neue Richtung gegeben hat, kommt der geduldige Fan nun endlich wieder auf seine Kosten. Nach 5 Jahren Arbeit in 25 verschiedenen Ländern hat das altbewährte Team um Ron Fricke und Mark Magidson wieder einmal ein beeindruckendes Stück Filmgeschichte geschaffen.

 

Genau wie bei Baraka hat sich das Team erneut für das aufwendige 70mm Filmverfahren entschieden, welches eine fast dreimal größere Bildfläche als im „Standardfilm“ bietet. Dadurch entsteht erst der verblüffende Detailreichtum, welcher diesen Film unter anderem so sehenswert macht. Eine weitere Besonderheit is, dass Samsara allein durch die Kraft seiner Bilder und der Musik getragen wird. Kein Kommentar untermalt die Aufnahmen. Wenn die Kamera nicht still steht, bewegt sie sich äußerst langsam, was vielen Einstellungen wiederum den Charakter eines Gemäldes verleiht. Dem Zuschauer wird Zeit gelassen sich in den Details der Aufnahmen zu verlieren. Man wird bewusst den alltäglichen Schnittgewittern des modernen Mainstreamfilms enthoben, um sich in ganz neuen Dimensionen der audiovisuellen Kommunikation zu verlieren.

 

Der Titel stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet „das sich unaufhörlich drehende Rad des Lebens, den ewigen Kreislauf des Entstehens und Vergehens“. Diesen Zyklus hat das Filmteam gekonnt eingefangen und zeigt Bilder von beeindruckenden Naturschauplätzen, überfüllten Metropolen, riesigen Müllhalden und Massentierhaltungen. Das grundlegende Prinzip des Films ist von Baraka bereits bekannt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die ein oder andere Aufnahme nicht mehr neu erscheint, wenn man den Vorgänger gesehen hat. Trotz allem bleibt die Wucht der Bilder ungetrübt, und manche Aufnahmen zeugen auf erschütternde Art und Weise von der Zeit, die seit dem ersten Teil vergangen ist. Man sieht völlig überfettete Säue, die in Käfige gepfercht sind und gerade noch ihren Ferkeln genug Platz bieten könnenum an die Muttermilch zu kommen. Oder Berge vonElektroschrott, welche in Ghana von Kindern nach potentiell wertvollen Resten durchsucht werden.

 

Natürlich handelt es sich hierbei um Themen, die nicht neu sind. Doch die Intensität der Bilder in Verbindung mit der Konstellation, in der diese zusammengefügt wurden, hinterlassen beim Zuschauer ein flaues Gefühl. Trotzdem hatdie Welt hat neben Mord, Waffenwahn, wildgewordenem Kapitalismus und ausufernder Urbanisierung auch ihre schönen Seiten. SpektakuläreNaturaufnahmen zeigen dem Zuschauer Orte, die in ihrer Kraft und Wirkungsweise einzigartig zu sein scheinen. Die per Fernsteuerung bediente Kamera schafft es dabei Aufnahmen zu machen, die die ganze Nacht durchlaufen. Im fertigen Film dauert diese Einstellung nur 10 Sekunden. Somit betritt man die Kathedrale von Reims, beobachtet die Betenden an der Klagemauer oder sieht die verschiedenen Reaktionen kleiner Kinder, die gerade getauft werden – und das alles in weniger als einer Minute.

 

Man könnte Seiten mit Beschreibungen der Aufnahmen füllen, doch das würde dem Gesamtwerk zu viel vorweg nehmen und diesem nie gerecht werden. So bleibt mir nur noch mit einem zentralen Bild zu enden: dem Mandala. Eine Zeitlang werden tibetische Mönche beim Zeichnen eines Mandalas gefilmt. Mit unheimlicher Geduld und Präzision erschaffen sie ein wunderbares Kunstwerk, das allerdings nicht von langer Dauer ist. Denn es ist Tradition, dass die minutiös hergestellten Mandalas nach Fertigstellung als Zeichen der Vergänglichkeit allen Lebens weggewischt werden. Und so geschieht es auch in Samsara: wohnt man zu Beginn des Films noch der Herstellung des Mandalas bei, sieht man am Ende mit an, wie die Mönche das Kunstwerk nach eingehender Betrachtung zerstören. Somit schließt der Regisseur auch thematisch den Kreis und schickt uns mit diesem Film auf eine „geführte Meditation“, welche uns auch die eigenen Abgründe eröffnen soll.

 

Nach eigenerAussage wollte er keinen politischen Film machen. Man mag darüber streiten, ob ihm das nicht trotzdem gelungen ist. Nichtsdestotrotz schickt er uns auf eine Reise in die entferntesten Winkel der Welt und seiner Selbst und lässt den Zuschauer schwärmen, aber auch grübeln.

 

Trailer:

 

 


von max am 23.Aug.2012 in kultur

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