Kein Kommentar // Nahost: Quartett, Konflikt und Konfetti.

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Qalandiya-Checkpoint zwischen Ramallah und Jerusalem. Foto: Filippo Minelli (CC BY)

Es gibt so viele Möglichkeiten das auf gut Deutsch zu sagen. Doppelzüngig? Zu vorwurfsvoll. Janusgesichtig? Zu kompliziert. Hydraköpfig? Noch komplizierter. Ach so. Realpolitik.

 

Merke: Wenn z.B. ein Politiker A sagt, aber B meint und C tut, dann ist das normal. Besonders kunstvoll ist dieses Handwerk allerdings bei dem so genannten Israel-Palästina-Konflikt zu bestaunen. “Mr. Abbas! Be my partner in peace!”, spricht Netanyahu und erntet Stehapplaus im US-Kongress. Gut, er hätte auch sagen können, dass Israel das einzige Land ist, in dem Araber Rechtsstaatlichkeit genießen (hat er) oder das Katzenvideos endlich als künstlerisch anspruchsvolle Werke anerkannt werden müssen (hat er nicht, und letzteres ist der kleinere Unfug). Ähnlich vollmundige Friedensbekundungen gab es dann letzten Monat von ihm in der UNO zu hören. Kurz darauf genehmigt Israel den Neubau von 1100 israelischen Wohnungen im palästinensischen Ostjerusalem. Vielleicht handelt es sich hierbei ja um einen besonders feinsinnigen Humor, der mir entgeht, wer weiß.

 

Und die Kritik fällt selbsterklärlich wie immer scharf aus: “Die heutigen Ankündigungen stehen nicht im Einklang mit dem Geist der Erklärung des Nahost-Quartetts”, diplomatisiert da etwa ein Westerwelle in deutschestem Politsprech. Washington zeigt sich “zutiefst enttäuscht”. Oh, entschuldige liebes Außenministerium, es tut mir aufrichtig leid, dass man Deine Gefühle verletzt hat. Nicht, dass man zur Abwechslung mal im Sicherheitsrat kein US-Veto einlegen könnte, wenn es um Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzungen in Israel geht. Das berücksichtigte wohl nicht sämtliche relevante Faktoren bzw. wäre nicht politisch elaboriert genug bzw. zu einfach.

 

Und die Palästinenser können sich nicht einmal darauf verständigen mit einer Stimme zu sprechen. Vielversprechend schien zunächst die Versöhnung mit der Hamas letzten Frühling. Dann war man sich wieder nicht über die UN-Bewerbung einig. Und unsere mit Arafat-Schal-Träger meckern natürlich gerne, da haben wir was gemeinsam. Aber das in palästinensischstem Pathos. Dass sie noch ihre Schlüssel hätten zu ihren Häusern, weil sie davon träumen zurückzukehren, von dergleichen schwärmen sie. Das ist vermutlich der größte Vorwurf, den man Fatah-Chef Abbas machen muss: dass er die verklärerische Damals-Folklore weiter kultiviert statt endlich Politik zu machen. Damals: das war vor 48. Deutschland bekräftigt derweil seine bedingungslose Solidarität mit Israel. Man sei ja nicht mehr so wie damals heißt das im Subtext. Damals, das war vor 45. Die Israelis wiederum beharren auf dem historischen, in der Bibel bezeugten Recht auf einer Heimat in “Judäo-Samaria”, man sei hier doch schon mal gewesen, damals, das war vor 66.

Nach Christus.

 

Nostalgie heißt das, wenn man mit dem Gehirn in der Vergangenheit klebt. Putzig sind sie aber schon, die Palästinenser, in ihrer Nostalgie. Gepaart mit ihrer Aufgebrachtheit und ihrem Selbstmitleid vereinen sie die Putzigkeit eines Großväterchens, eines rebellischen Idealisten und eines sensiblen, Herzschmerz-Pamphlete verfassenden Jünglings. Da geht schon mal einer in die Luft. Oder wird in die Luft gejagt, je nachdem.

 

Extremisten auf der einen Seite also, Hardliner auf der anderen Seite. Keine Sorge liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Bundesrepublik steht nicht auf der falschen Seite– weil es nur falsche Seiten geben kann, wenn man Kamikazeterroristen Staatsterroristen gegenüberstellt. “Aber gerade wir als Deutsche…!”– …sollten wissen, dass Mauern zu allererst in den Köpfen fallen müssen.

 

Beschämend wie unpragmatisch-undiplomatisch einerseits und zahnlos andererseits Europa sich (nicht) positioniert. Schließlich haben wir Europäer den Nahen Osten von heute erfunden, erinnert sei an die viel zu unbekannte Balfour-Erklärung sowie das in alter kolonialherrischer Manier geschlossene Sykes-Picot-Abkommen. Gut, auf so einem Status Quo, einem gleichbleibenden Ist-Zustand liegt es sich schon recht bequem, vor allem bei chronischem Kurzzeitgedächtnis. Da guckt man zu, mahnt ein wenig, bekundet Solidarität. So wie jetzt, wo die welken Blüten des arabischen Frühling auf dem Boden liegen wie Konfetti nach einer Party. Was haben sich alle gefreut und beglückwünscht! Die Party ist erstmal vorbei. Alle waren dabei. Und wer räumt jetzt auf?


von gastautor am 13.Okt.2011 in politik

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