Über Schlauchboote und Landratten

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In einer so ‘hippen’ Stadt wie Berlin darf eine ‘trendige’ Freizeitbeschäftigung natürlich nicht fehlen. Die Öffnung des Tempelhofer Felds zum Beispiel führte zu einer Explosion an Freizeitangeboten, aus denen der jederzeit aktive und bewusste Berliner wählen kann: Todesmutig heizt man mit wahnwitzigen Geschwindigkeiten die Start- und Landebahnen entlang, sei es mit dem Fahrrad oder dem Kiteboard. Oder man legt inmitten der keronsinverseuchten Flächen einen wunderschönen großen Garten an, in dem gepflügt, geharkt und gesoffen wird, aber stets inmitten biologisch angebauter Salatköpfe und Rucolastauden. Sogar für die nimmermüden, lebensmüden Großstädter hat man sich was einfallen lassen: bouldern, oder das ungesicherte Klettern an Wänden.

 

Berlin steckt voller ungewöhnlicher Aktivitäten, die aber hier nicht alle behandelt werden können (über das regelmäßige Autoanzünden hat man sowieso bereits genug gehört). Die wahre Königsdisziplin des Freizeitsports jedoch scheint sich noch nicht durchgesetzt zu haben: das Schlauchbootfahren. Oftmals als Kinderkram abgetan, entfaltet es auf den Berliner Kanälen und Wasserstraßen seinen ganz eigenen Charme. Weder die ‘glasklaren und überhaupt nicht stinkenden Wasserläufe’, noch die von Rentnern frequentierten Bootstouren, welche beim Anblick solcher Freizeitkapitäne unverzüglich das iPhone auszupacken, um den Enkeln zu zeigen, wie verrückt Berlin und die Berliner doch sind, schrecken den mutigen Schlauchbootbesitzer ab. Allen Gefahren und Unannehmlichkeiten zum Trotz stößt er an geeigneter Stelle in die See und lässt nach einigen kurzen Paddelstößen die Großstadt und deren Landratten hinter sich.

 

Und wie schön eine Bootsfahrt doch ist. Sich stundenlang von der sanft schaukelnden Kloake treiben zu lassen, stets ausgestattet mit dem Gütezeichen deutscher Braukunst (Sterni), den Sonnenstrahlen sowie den Blicken der neidischen Landratten erbarmungslos ausgesetzt. Man fühlt sich groß und wichtig und hat für die restlichen Boote von nun an nur mehr Spott übrig. Die Touridampfer hatten wir bereits. Das Pärchen im Tretboot: spießig-veralteter Romantikquatsch. Der Doppelvierer mit Steuermann: todernste Sportfanatiker. Und der Alte auf seiner Miniyacht: dekadenter Alt-Münchner, der wegen der günstigen Stellplätze in Berlin den Starnberger See hinter sich gelassen hat. Nur der Schlauchbootfahrer ist der wahre „König der Kanäle“. Denn allein die Beschaffenheit des Materials eines solchen Bootes lässt zumindest das Gefühl spätrömischer Dekadenz aufkommen.

 

Dabei verhält es sich beim Schlauchbootfahren wie mit einem Festival: Je öfter man zu solchen geht, desto besser ist man ausgestattet und kann das Ereignis umso mehr genießen. Und so ist auch bei uns eine Liste von Sachen entstanden, die unsere regelmäßigen Bootsausflüge noch angenehmer gestalten sollen. Da ist zum Beispiel der Schwimmring, der einen ganzen Kasten Bier fasst, oder ein großes Sonnensegel. Traurigerweise gibt es bis jetzt jedoch noch keinen schwimmenden Grill, der Platz für eine ganze Sau bieten würde.

 


von max am 23.Jul.2012 in leben

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