Berlinwahl 2011 // Ahoi Piraten, Schiff klar zum Ändern!

Auf der Wahlparty der Berliner Piraten im Ritter Butzke
Liebe Berliner Piratenpartei,
herzlichen Glückwunsch! 8,9 Prozent aus dem Stand, und das vollkommen verdient. Als einzige Partei habt Ihr einen Wahlkampf geführt, der eigentlich Standard seien sollte im Jahr 2011 in Mitteleuropa. Ihr habt eine Kampagne gefahren, die graphisch einwandfrei daherkam, die durchdacht war, vor allem aber, die nicht durch inhaltsleere Floskeln negativ aufgefallen ist: “Berlin verstehen”? “Gerade richtig”? “Die neue Wahlfreiheit”? Was soll das heißen? Die meisten Botschaften der etablierten Parteien sagen mir nichts. Blabla.
“Netze in Nutzerhand”, “Mindestlohn ist eine Brückentechnologie”, “Religion privatisieren”, “Suchtpolitik statt Drogenkrieg”, “Dieser Geheimvertrag ist in deiner Stadt nicht verfügbar” – mit Positionen wie diesen habt Ihr ein Versprechen abgegeben: Ihr habt eine visionäre, zukunftsweisende Politik versprochen, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt, die Transparenz und Bürgerbeteiligung propagiert und umsetzt. Eine Politik, deren Horizont weiter reicht, als nur bis zur nächsten Wahl. An diesem Versprechen werdet Ihr gemessen werden.
“Fragt mal eure Kinder, warum sie Piraten wählen” Das haben ganz offensichtlich viele Wähler getan. Klar, Euer überragender Erfolg ist zum Teil auch ein Protest gegen die etablierten Parteien und deren inhaltsleeren Wahlkampf. “Wer Wowereit will, muss SPD wählen” – und wer Wowi nicht wollte, hat Piraten gewählt. Und das ist auch gut so, liebe Piratinnen und Piraten.
Ihr müsst jetzt in der Opposition beweisen, dass Ihr mehr seid, als eine Protestpartei. Millionen und Milliarden zu verwechseln ist für einen Spitzenkandidaten hochgradig peinlich – aber angesichts der Phantastillarden, mit denen aktuell ziellos marode Banken oder insolvente Staaten “gerettet” werden, irgendwie auch sehr menschlich. Eure Reaktion darauf war auf jeden Fall souverän. Ihr müsst jetzt lernen, wachsen, und dabei Euren Wurzeln treu bleiben.
Man muss zwischen den Berliner Piraten und den Bundespiraten unterscheiden, wie Christian Sickendieck in einem lesenswerten Artikel auf FIXMBR unterstreicht. Was Eure Partei zum Teil auf Bundesebene treibt, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Mit Eurem Berliner Ansatz und dem daraus resultierenden Wahlergebnis setzt Ihr aber auch für die Bundespiraten Maßstäbe. Das kann nicht schädlich sein.
Liebe Berliner Piraten, Ihr habt eine Menge Vorschusslorbeeren bekommen. Ruht Euch bitte nicht darauf aus! Ihr steht jetzt am Anfang der nächsten Episode. Ihr könnt eine echte Alternative werden. Lasst Euch nicht von irgendwelchen “Sachzwängen” einlullen. Studiert den politischen Alltag und verbessert ihn. Leistet Oppositionsarbeit. Ihr könnt die etablierten Parteien in Berlin jetzt wachrütteln. Mit progressiven Ideen. Mit neuen Ideen. “Wir sind die mit den Fragen” habt Ihr versprochen. Bleibt dabei. Stellt Fragen. Viele Fragen.
Auf Euch lastet jetzt ein unglaublicher Druck, das ist mir klar. Die Erwartungen an Euch sind riesig und das bedeutet verdammt viel Arbeit. Aber ich bin überzeugt, dass Ihr das hinbekommt. Das wird schon. Behaltet euer Ahrrrrrr! Wenn Ihr Theorie und Praxis in Einklang bringt, wenn Ihr Eure Oppositionsarbeit so realisiert, wie Eure Wahlkampagne, stellt Ihr nach der nächsten Berlinwahl den Käpten – zumindest aber Teile des Offizierskorps…
Heute ist “Talk Like a Pirate Day“. Das ist doch ein gutes Zeichen…
Schiff klar zum ändern! Ahoi, Berliner Piraten!