#idp13 in Berlin: “Schön, dass Ihr alle da seid”

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23.02.2013, International Day for Privacy: In Berlin strömen die Massen auf die Straße, um für den Erhalt ihrer Privatsphäre zu demonstrieren.

“Schön, dass Ihr alle da seid”, begrüßt die erste Rednerin mit einem unterdimensionierten Spielzeug-Megaphon die rund 15 Demonstranten, die sich am “International Day for Privacy” zur Demonstration am Kottbusser Tor in Berlin begeben hatten. Es sind mehr Bereitschaftspolizisten und Photografen anwesend als Demonstranten. Ein Armutszeugnis.

 

Besonders, da auch die Bundespiraten zu den Demonstrationen aufgerufen hatten:

Am »International Day for Privacy« am 23. Februar werden in diesem Jahr Veranstaltungen in über 70 Städten weltweit erwartet. Auch die Piratenpartei Deutschland ruft zu bundesweiten Protesten in über 40 deutschen Städten auf. Mit den Aktionen sollen Bürger auf die zunehmende, bereits alltäglich gewordene Überwachung im öffentlichen Raum aufmerksam gemacht und gegen eine Ausweitung der Sicherheitsgesetzgebung mobilisiert werden.

In Berlin waren keine erkennbaren Piraten zu sehen. “Na klar, die sind – zusammen mit allen Anderen – auf der ‘Free Bradley Manning‘ Demo, die parralel (Planingskills: +1) an der Weltzeituhr am Alex stattfindet” denke ich mir. Also auf zum Alex!

 

Als ich um halb drei dort ankomme ist genau niemand da. Peinlich, Piraten. Way to go, Berlin.

 

Was ist geschehen? Interessiert sich niemand mehr für Privatshäre? Ist es allen egal, dass die EU Millionen für ein Forschungsprojekt ausgibt, bei dem Algorithmen automatisch Videomaterial von Überwachungskameras und Drohnen auswertet, um “abnormales” Verhalten im öffentlichen Raum zu indentifizieren?

 


 

INDECT (Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment) wird dieses Forschungsprjekt genannt. Ja, ja, ich weiß schon, hat eh niemand was zu verbergen, und daher auch nichts zu befürchten und so. Und überhaupt Datenschutz und Privatshäre sind so 1848. Alles uncool. Und überhaupt: Parallel ist Hipsterwinterolympiade.

 

Mein Problem, das ich mit INDECT habe, ist hauptsächlich philosophischer Natur: Versetzen wir uns einmal zurück in die Zeit, als unsere Vorfahren noch lustig von Ast zu Ast schwangen. Stellen wir uns weiter vor, an allen Bäumen hängen Videokameras, Überwachungsdrohnen summen fröhlich durch die Luft, die Daten von beiden werden automatisch ausgewertet, das Verhalten der kleinen Äffchen permanent analysiert. Alle sind glücklich, zufrieden, vor allem aber sicher.

 

Irgendwann findet einer der Affen, dass es irgendwie doof ist sich immer nur von Ast zu Ast zu bewegen und kommt auf diese verrückte Idee mit dem aufrechten Gang. Er steigt also vom Baum herunter und versucht die ersten tapsigen Schritte auf dem neuen Untergrund. Das wird natürlich gefilmt und analysiert. INDECT entdeckt automatisch ein Abweichen von der Norm.

 

Uhhhh… Gefährlich, denkt sich der Algorithmus. Sofort werden also Bereitschaftsaffen bzw. Private Security Affen alamiert, die der Norm entsprechend auf den Normenverstoß reagieren: Sie schreien, zetern, bewerfen den experimentierfreudigen Affen mit ihrer eigenen Scheiße, und jagen den ‘Querkopf’ zurück auf den Baum.

 

Was ich mit dem Gleichnis der scheißeschmeißenden Private Security Affen sagen will: Jegliche soziale Innovation stellt zunächst einen Verstoß gegen eine etablierte soziale Norm da. Wenn dieser Verstoß der Gesellschaft aber einen Vorteil gegenüber dem bisherigen Verhalten bietet, wird er mit der Zeit adaptiert. Eine neue soziale Norm entsteht.

 

Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn soziale Experimente automatisch sanktioniert werden? Und überhaupt, wer entscheidet, was die soziale Norm ausmacht? Würde der Algorithmus Open Source sein?

 

Wird man für ein Lächeln in einer vollbesetzen S-Bahn bald schon mit Scheiße beschmissen???


von fab am 23.Feb.2013 in politik

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