Nicht deer schon wieder…

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Großartige Installation von Banksy*, Foto: BitBoy (CC BY 2.0)

Ich habe vorhin in meine magische Kristallkugel geschaut, und jetzt weiß ich, dass Peer Steinbrück 2013 der Kanzlerkandidat der SPD werden wird.

Schrieb ich am 10. Juli 2011 hier auf unserem Blog. Und weiter:

Ich schreibe das hier nur, um später vielleicht darauf verlinken zu können… ;-)

Jetzt ist es also amtlich: Steinbrück ist nun auch offiziell Kanzlerkandidat der SPD. Mit einem honeckeresken Ergebnis von 93,5% setzte sich der stets lächelnde Vortragsprofi bei der Wahl zum Kanzlerkandidaten gegen dutzende – ach, was schreib ich – hunderte von jungen, motivierten Hoffnungsträgern innerhalb der SPD durch. Eine demoktarische Glanzleistung.

 


 

Der Reihe nach: Zunächst zur magischen Kristallkugel: Ich finde es hochgradig erstaunlich, wie präzise man die politische Entwicklung vorhersagen kann, wenn man bestimmte Konferenzen, bzw. die Teilnehmerlisten derselben anschaut. 2011 war es eines dieser Videos, das mich zu meiner Vorhersage bewegte.

 

Clinton war 1991 dabei – wurde 1993 US-Präsident, Merkel 2005 – wurde im selben Jahr Kanzlerin, Westerwelle 2007 – wurde 2009 Außenminister. Nun also Steinbrück (2011) und Trittin (2012)…
Wir dürfen gespannt sein, wie es wohl weitergeht.

 

Damit keine Missverständnisse auftreten: Ich habe nichts gegen das Netzwerken, ganz im Gegenteil. Ich bin aber der Auffassung, dass Treffen dieses Kalibers bzw. deren Ergebnisse öffentlich diskutiert gehören. Die Verschwiegenheit rund um diese Konferenzen bzw. die Ignoranz der Massenmedien sind für den demokratischen Meinungsbildungsprozess kontraproduktiv.

 

In der Wissenschaft gilt das Prinzip des Peer(höhö)-Reviews, um mögliche Fehler zu minimieren. Wieso gilt dieses Prinzip in der Politik scheinbar von Tag zu Tag weniger? Nobody is perfect… Auch nicht, wenn es um (Macht)Politik geht.

 


 

Aber zurück zu Peer Steinbrück: Ich habe mir gerade eine Stunde lang seine Rede auf dem Sonder Peerteitag in Hannover angesehen, den zweiten Teil (ebenfalls eine Stunde) habe ich mir dann nicht mehr gegeben.

 

Nach der Beschwörung der großen Tradition der SPD und deren 150jähriger Geschichte redet der Kanzlerkandidat viel, sehr viel über Gerechtigkeit. Fordert etwa, dass “gerechte Löhne bezahlt werden”, verlangt “gezähmten Kapitalismus und soziale Marktwirtschaft” und moniert “ein neues Gleichgewicht”. “Die Marktwirtschaft [will er] auf das Gemeinwohl [...] verpflichten”. Und überhaupt: Merkel und die CDU sind doof. Soweit das übliche sozialdemokratische Wahlkampf-Reden-Geplänkel.

 

Nach jedem halbwegs gelungenen Halbsatz klatschen sich die Damen und Herren, die delegierten Genossen mehr und mehr in Extase. “Haltung und Werte” lassen sich scheinbar gut verkaufen…

 

Der bloße Machterhalt ist nicht die zentrale Aufgabe von Politik.

Fordert der SPD-Kanzlerkandidat, der 2011 bei jenem elitären, semi-geheimen Treffen in St. Moritz dabei war.

 

Nicht nur Abschaffung der Praxisgebühr, sondern zwei Klassen-System im Gesundheitswesen weg.

Klingt super! Aber aus dem Munde von Agenda-2010 Befürworter Steinbrück irgendwie hohl. Vielleicht täusche ich mich ja: War es nicht die Rot-Grüne Bundesregierung, die die Praxisgebühr 2004 überhaupt erst eingeführt hat?

 

Eine Marktgesellschaft – sie ersetzt Moral und Ethik durch Egoismus und Renditemaximierung. Das aber zerstört den Zusammenhalt und die innere Friedfertigkeit einer Gesellschaft, und genau das wollen die Sozialdemokraten nicht.

Das Missverhältnis [sic!] zwischen Einsatz und Gegenleistung stimmt für viele nicht mehr.

Gerechtigkeit, Maß und Mitte. Deutschland braucht wieder mehr wir und weniger ich.

Es sind Zitate wie diese, mit denen sich Peer “Ich-nehme-25.000-Euro-für-einen-Vortrag-bei-maroden-Stadtwerken” Steinbrück bestimmt entgültig in die Herzen der SPD-Basis schwadroniert.

 

Ich sehe es schon deutlich vor mir: Mit dem Schlachtruf “Das ist einer von uns!” werden sich die Kinder der Hartz-IV-gedumpten ehemaligen Kohle-Kumpel aus dem Pott mit Begeisterung in den nerven- und energieraubenden Straßenwahlkampf 2013 stürzen. “Zur Sonne, für Steinbrück”, oder so. Na dann: Glück auf.
 
Ach Tante SPD, was ist nur aus Dir geworden?!?
 
Wie singt Marc-Uwe Kling so schön:
 

Es gibt da so ‘nen Spruch von den alten Kommunisten, mit dem die 1918 ihre falschen Freunde dissten. Natürlich ham wir heute ne and’re politische Lage – und trotzdem passt der Spruch irgendwie in uns’re Tage:  Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Wer hat uns verraten – wer hat uns verkauft? Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. [...] Übrig sind nur hohle Phrasen und literweise Rot. [...] Und wer hat keinen einzigen fähigen Kanzlerkandidaten? [...] Sozialdemokraten.

 


*”Elephant in the room” ist ein methaphorisches Idiom aus dem englischen Sprachgebrauch und bezeichnet eine offensichtliche Tatsache, die niemand anspricht.


von fab am 11.Dez.2012 in politik

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