Und er bleibt und bleibt und bleibt…
Alle Jahre wieder… Der Bundespräsident lädt auch dieses Jahr wieder alle Mitbürgerinnen und Mitbürger an den Bildschirmen der Nation dazu ein, seiner Weihnachtsansprache zu lauschen. Der Hintergrund im Schloss Bellevue wird weihnachtlich geschmückt, eine gemütliche Atmosphäre geschaffen, die wunderbar zu diesen Tagen Ende Dezember passt, wenn die meisten nach der stressigen Vorweihnachtszeit endlich die weihnachtliche Ruhe im Kreise der Familie genießen.
Doch Ruhe will bei dem Herren, der uns da besinnliche Feiertage wünscht, zurzeit einfach nicht aufkommen:
Obwohl Christian Wulff – seines Zeichens Bundespräsident von Angies Gnaden – in der schon vorab veröffentlichten Rede zu der um ihn aufgekommenen Kredit-Affäre nichts sagen wird, werden wahrscheinlich auch die Feiertage nichts nützen, um die Affäre ad acta zu legen. Dafür ist zu brisant, was da in den letzten Wochen über Wulff bekannt wurde und täglich noch neu bekannt wird:
Zunächst war nur die Rede von Wulffs 500.000 Euro Privatkredit bei dem befreundeten Ehepaar Geerkens, bei dem es zu einigen Ungereimtheiten kam. Denn bereits 2010 teilte Wulff – damals noch Ministerpräsident von Niedersachsen – auf Anfrage im niedersächsischen Landtag mit, dass er keinerlei Geschäftsbeziehungen zum Unternehmer Egon Geerkens unterhalte. Rein rechtlich stimmte dies auch, steht auf dem Vertrag doch Egon Geerkens Ehefrau Edith als Kreditgeberin. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass Egon Geerkens bei den ganzen Verhandlungen beteiligt war. Der Kredit stamme von ihm, sagte er gegenüber dem SPIEGEL. Der Bundespräsident und seine Anwälte (seit wann spricht der Bundespräsident durch seine Anwälte zum Volk?!) wiesen dies jedoch lange Zeit zurück, ehe sie es letztendlich doch zugeben mussten.
Copy and Paste bei Guttenberg – das kann ja nicht gut gehen
Wulff scheint damit die gute alte Salami-Taktik zu fahren, die uns noch vom Freiherrn zu Guttenberg in bester Erinnerung ist: Man gibt nur zu, was ohnehin nicht mehr geleugnet werden kann. Der Fall Guttenberg zeigt aber auch, dass diese Strategie nicht von Erfolg gekrönt sein muss. Kein Wunder also, dass auch für Wulff das Eis immer dünner wird.
Eigentlich sollte man meinen, dass die Kreditaufnahme, sowie deren Leugnung vor dem Landtag, erst recht jedoch die derzeitige Kommunikationspolitik genug Gründe für einen Rücktritt liefern. Denn bereits damit ist Wulffs Integrität beschädigt und insofern ist er nur noch schwer tragbar für das Amt des Bundespräsidenten. Das Bundespräsidenten-Amt, gerade weil es kein Amt der Tagespolitik ist, muss höheren moralischen Ansprüchen genügen. Diesen Ansprüchen genügt Wulff nicht mehr, spätestens nachdem er seine Fehler nach Aufkommen der Vorwürfe nicht sofort zugegeben hat und es über lange Zeit nicht für nötig hielt, sich selbst dazu zu äußern, sondern nach außen nur über seine Anwälte (man kann es nicht oft genug erwähnen) kommunizierte.
Doch Wulff trat bislang nicht zurück und verlegte sich aufs Aussitzen der Affäre. Mit jedem Tag aber, der seitdem vergeht, kommen neue Vorwürfe gegen ihn auf, bei denen die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft verschwimmen, die einen Verbleib Wulffs als Bundespräsident immer unwahrscheinlicher machen. So bezahlte ein Freund – der umstrittene Unternehmer Carsten Maschmeyer – die Anzeigen für Wulffs Buch „Besser die Wahrheit“ (einfach zu gut der Titel!) während des niedersächsischen Landtagswahlkampfs 2007 – eine eindeutige, indirekte Wahlwerbung, von der Wulff bis heute nichts gewusst haben will. Dabei revanchierte sich Wulff jedoch, indem er sich sehr stark für die Riester-Rente einsetzte (eine der Haupteinnahmequellen von Maschmeyers damaligem Unternehmen AWD) und auch immer wieder bei AWD-Veranstaltungen auftrat und so indirekt dafür warb, obwohl dem Unternehmen unterstellt wird, viele seiner Kunden mit undurchsichtigen Investments um ihre Ersparnisse gebracht zu haben.
Als weiterer Vorwurf kommt hinzu, dass Christian Wulff nach der Umschuldung des Kredits vom Ehepaar Geerkens hin zur landeseigenen baden-württembergischen BW-Bank keinen normalen Immobilienkredit aufnahm, sondern ein Finanzkonstrukt angeboten bekam, das es ihm erlaubte nur zwischen 0,9 und 2,1 % Zinsen zu zahlen, was in etwa der Hälfte der üblichen Zinssätze entspricht. Wulff wurde also ein Sondertarif gewährt. Hier scheint jemand „gleicher“ zu sein, als die normale Bevölkerung.
Das Vertrauen in Wulff ist erschüttert, ein Zurück ausgeschlossen
Zusätzlich gibt es vor allem Vorwürfe wegen Wulffs Urlaubsaufenthalten in den Häusern befreundeter Unternehmer, die alle mehr oder weniger stark auch mit dem Politiker Christian Wulff zusammenhängen. Eine Überschneidung von Politik- und Wirtschaftsinteressen – zumindest in einem Teil der Fälle – scheint mehr als wahrscheinlich. Zwangsläufig sinkt so das Vertrauen der Deutschen in den Bundespräsidenten immer stärker ab. Zurzeit ist nichts in Sicht, was Wulff nachhaltig rehabilitieren könnte.
Wieso auch?! Wer weiß nun schon noch, wann der Bundespräsident die Wahrheit spricht, und wann es wieder nur ein Vertuschen von Wahrheiten ist? Und – viel allgemeiner – wer schenkt Christian Wulff in Zukunft überhaupt noch das nötige Gehör, das seinem Amt eigentlich gebühren sollte? Wenn Christian Wulff in Zukunft zugehört wird, dann nur, um jedes seiner Worte auf die Goldwaage zu legen und mit all den aktuell aufkommenden Skandalen in Verbindung zu bringen. Er kann so nicht mehr frei sprechen und wenn doch wird sein Wort kaum noch Gewicht haben. Der politische Todesstoß für jemand in einem repräsentativen Amt, dessen Macht die Sprache ist.
Christian Wulff ist somit also nicht mehr geeignet für das Amt des Bundespräsidenten. Er genügt dem Amt weder in moralischer Hinsicht, noch ist er in der Lage, das Amt weiterhin entsprechend auszufüllen. Ihm bleibt nur noch der Rücktritt und das Eingeständnis, dass dieser Schritt schon längst hätte erfolgen müssen. Doch danach sieht es (noch) nicht aus. Wulff klebt fest auf seinem Stuhl. Auch Angela Merkel und die CDU wirken eher wie Pattex unter Wulffs Hosenboden, indem sie ihm weiterhin volles Vertrauen aussprechen und die Debatte für beendet erklären wollen. Doch der Plan wird wohl nicht aufgehen und auch die Festtage werden nicht den Schwung aus dieser Debatte nehmen, so sehr die Regierung das auch hoffen mag.
Mit den Worten „Ich leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben“ reagierte Wulff einst auf eine Affäre um den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Heute wird es mehr als Zeit, dass er von seinem Amt zurücktritt, bevor dieses Leiden für ihn noch unerträglich wird.