Von Lesestoff bis Gummistiefel: die Frankfurter Buchmesse
Mein erster Eindruck der Frankfurter Buchmesse? Menschen. Bücher. Noch mehr Menschen. Noch mehr Bücher. Das Frankfurter Messegelände hat tatsächlich die Ausmaße einer kleinen Stadt inklusive einer eigenen Infrastruktur von Messebussen, die von einem zum anderen Ende pendeln. Überblick? Nicht vorhanden, aber die Beschilderung ist groß und deutlich und so mache ich mich auf den Weg zum Pressebereich in Halle 4.1. Innerhalb der ersten zwei-Komma-fünf Sekunden habe ich übrigens schon genügend Flyer und Buchmessenzeitungen in die Hand gedrückt bekommen, dass ich meinen Hallenplan kaum noch halten kann.
Halle 4.1, Stand Q545. Ich zücke – mit wahrscheinlich sichtbarem Stolz – meine Pressekarte. Der Türsteher nickt und winkt mich herein. Um mich herum auf einmal nur noch Journalisten. Zwar sehen sie alle aus wie ganz normale Menschen, aber ich bin trotzdem beeindruckt. Außer Pressemitgliedern und hilfreichem Servicepersonal gibt es hier auch Computer mit Internetzugang, Stapel von Flyern und Pressemitteilungen, kostenloses Trinkwasser und einen Interviewraum. Den werde ich später in Anspruch nehmen, im Auftrag der englischsprachigen Zeitschrift Spotlight, für die ich einen neuseeländischen Krimiautoren und einen neuseeländischen Koch interviewen werde. Koch? Ja, Kochbücher sind schließlich auch Bücher, ne?
Apropos Neuseeland, das ist nicht nur mein anderes Heimatland, sondern auch der diesjährige Ehrengast der Buchmesse. Soll heißen: Der komplette erste Stock von Halle 1 ist in neuseeländischer Hand. Halle 1? Äh… Los geht’s. Erst muss ich natürlich aus Halle 4 herausfinden… Das dauert ungefähr eine Stunde, denn an jeder Ecke wird man von irgendeinem tollen Titelbild, einem verheißenden Slogan, einem schön dekorierten Stand gelockt. Schließlich überquere ich den großen Platz vor Halle 4 – rechts Halle 3, links Halle 5 – und gehe durch’s Erdgeschoss (ARD! Gespräche mit spannenden Autoren!) in den ersten Stock. Vor dem Eingang ein Typ mit „Kia ora“ auf dem T-shirt – „Hallo“ in der Sprache der neuseeländischen Ureinwohner, der Maoris. „Bitte beachten Sie“, sagt der Kia-ora-Typ. „Drinnen ist es dunkel und die spiegelnden Flächen sind Wasser.“ Aha? Ein Schritt weiter und ja, es ist Nacht in Neuseeland. Denn, na ja, es IST ja auch Nacht in Neuseeland.
Wasser, Projektionsflächen, Sitzmöglichkeiten. Von der Decke kleine Strahler, auf der einen Seite hängt sogar ein Mond von der Decke und ein Schauspieler liegt im Dunkeln auf einem Bett. Lesend. Er wird auch ab und an angeleuchtet, dann steht er auf, begrüßt uns, zitiert ein paar Verse, alles begleitet von einer Multimediashow, an deren Ende er sogar von oben mit Wasser beregnet wird. Da hat sich wirklich jemand was einfallen lassen.
Um die Ecke gibt es dann noch eine Bühne und ein paar Stuhlreihen, ein Ort an dem ich in den nächsten Tagen viel Zeit verbringen werde. Denn: Noch nie habe ich so viele neuseeländische Schriftsteller an einem Ort gesehen. In Neuseeland selbst ist wohl gerade kein einziger Schreiberling mehr anzutreffen – außer Patricia Grace, einer meiner Lieblingsautorinnen, die es doch nicht nach Frankfurt geschafft hat. Schade. Dafür lausche ich aber zum Beispiel Witi Ihimaeras Lesung und Ausführungen. Ihimaera, dem man seine Maori-Wurzeln schon am Namen ansieht, hat zum Beispiel “Whale Rider” geschrieben, der in deutscher Co-Produktion zu einem Film gemacht und seiner damals 13-jährigen Hauptdarstellerin fast einen Oscar eingebracht hätte.
Vor lauter Freude an Neuseeland komme ich trotzdem noch rechtzeitig in den Pressebereich zurück. Der Koch, Al Brown, hat allerdings Verspätung. Als er endlich auftaucht, bleiben mir statt der halben Stunde nur noch 20 Minuten, nach denen auch schon einer meiner Kollegen an das Fenster des Interviewraums klopft und auf seine Uhr zeigt. Okay, okay. Genug Material habe ich trotzdem. Dann verspätet sich auch noch der Krimiautor, Paul Cleave, und zwar gleich mal um eine Dreiviertelstunde… Zum Glück denke ich trotz aller Aufregung daran, mein Aufnahmegerät einzuschalten, und er erzählt mir dann auch ein paar wirklich spannende Dinge.
Nach drei Tagen Frankfurter Buchmesse sitze ich völlig erschöpft im Zug auf dem Weg zurück nach München. Ich habe Lesungen gehört, Klappentexte durchforstet, mit Standbetreuern geredet, Bekannte getroffen, neue Leute kennen gelernt, kostenlose Häppchen gegessen, sogar einen kostenlosen “Kiwi Colada” getrunken. Jetzt brauche ich erstmal ein Wochenende. Was ich anderen Erstbesuchern raten kann? Zieht bequeme Schuhe an. Das hat mir vorher auch jeder geraten, ich habe darauf gehört und es keine Sekunde lang bereut. Was bequeme Schuhe sind, das muss allerdings jeder selbst wissen. Von mörderisch hohen Hacken (eine Verlagsmitarbeiterin) bis zu gelben Gummistiefeln (eine Pressephotographin) war alles dabei.