Haltbarkeitsdatum überschritten

0

Ilse Aigner Foto: Helmut Meyer (CC BY 2.0)

20 Millionen Tonnen Nahrungsmittel wandern nach Schätzungen des Verbraucherschutzministeriums jährlich in den Müll, obwohl sie noch genießbar sind. Eine viel zu hohe Zahl, die ein Zeichen riesiger Verschwendung ist – nicht nur der Lebensmittel an sich, sondern auch der Ressourcen und Energie, derer es zur Herstellung der Lebensmittel bedarf. Dies sieht auch Ilse Aigner so, die sich in letzter Zeit verstärkt gegen diese Verschwendung stellt und in dieser Sache „Aufklärungsbedarf“ sieht. Dazu sollen verschiedene Kampagnen dabei helfen, den Verbrauchern zu vermitteln, dass viele Lebensmittel auch noch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums verzehrbar sind. So soll zum einen der Wert von Lebensmitteln wieder höher eingeschätzt werden und zum anderen natürlich der immensen Verschwendung Einhalt geboten werden.

 

Das klingt erstmal gar nicht schlecht, ja eigentlich sogar ziemlich gut für eine Ministerin, die sich in ihrer bisherigen Amtszeit selten durch gute Ideen hervorgetan hat. Dennoch bleibt auch bei diesem Vorschlag ein großes ‚Aber’. Ilse Aigner vergisst bei all der Verbraucheraufklärung leider wieder einmal, dass sie sich auch um die Nahrungsmittelindustrie kümmern muss – und zwar im Sinne des Verbrauchers. Dies bedeutet Gesetze zu erlassen, die nicht den Profit der Lebensmittelindustrie im Auge haben, sondern das Wohl von Verbrauchern, Umwelt und der ganzen Gesellschaft.

 

Auf dem Auge der Industrie blind?

 

In diesem Fall würde das bedeuten, vor allem dafür zu sorgen, dass die Lebensmittelindustrie Mindesthaltbarkeitsdaten angibt, die natürlich vor dem Verderben der Lebensmittel liegen, aber doch den gegebenen Spielraum weiter ausnutzen. Das Gegenteil ist heute nämlich meist der Fall: So werden von den Konzernen die Mindesthaltbarkeitsgrenzen bewusst immer weiter nach vorne gelegt. Erreicht wird damit, dass die Lebensmittel gesetzlich früher ablaufen und nicht mehr verkauft werden dürfen. Die Supermärkte und Lebensmittelläden sind daher viel häufiger als noch früher dazu genötigt, genießbare Ware wegzuschmeißen und natürlich wieder neue zu kaufen. Die Mengen, die hierbei weggeworfen werden, liegen mindestens in der Größenkategorie wie die, die vom Verbraucher weggeworfen werden, wenn nicht deutlich höher. Die Ressourcenverschwendung und so der Schaden für die Umwelt sind enorm. Für die Kunden wird sich der teurere weil häufigere Einkauf der Einzelhändler auch im Preis niederschlagen. Die einzigen Profiteure dabei sind die Lebensmittelkonzerne.

 

Trotz der Offensichtlichkeit dieses Problems ändert sich aber nichts. Auf der Seite des Bundesverbraucherschutzministeriums heißt es nur, dass es Aufgabe der Hersteller sei

das Mindesthaltbarkeitsdatum und das Verbrauchsdatum auf Grundlage ihrer Kenntnisse und Daten zum Produkt in eigener Verantwortung festzulegen, [denn diese] kennen die Eigenschaften […] der von ihnen hergestellten Erzeugnisse am genauesten.

Dass dies Formulierungen sind, die Betrug und Vorteilnahme durch die Lebensmittelkonzerne Tür und Tor öffnen, ist eindeutig – jedoch nicht für unsere Ministerin. Einen Gesetzesvorschlag der FDP (einer ihrer wenigen klugen Momente in der aktuellen Legislaturperiode) der zumindest gefordert hatte, statt Mindesthaltbarkeitsdatum eine andere Formulierung zu wählen, die die weitere Genießbarkeit des Produkts für den Verbraucher deutlicher machen sollte, lehnte sie ab. Für wen Ilse Aigner Politik macht, wird so bereits an diesem Beispiel mehr als deutlich. Als Industrieschutzministerin geht sie damit bis auf weiteres wunderbar durch. Als Verbraucherschutzministerin hat sie ihr Haltbarkeitsdatum aber längst überschritten.


von chris am 28.Dez.2011 in politik

Lass mal was da im Kommentarformular...


Mit dem Abschicken Deines Kommentars
akzeptierst Du die Nutzungsbedingungen