Vollsperrung auf der A100

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Ob Berlin auch stolz auf ihn sein kann?: Klaus Wowereit, Foto: Axel Kuhlmann (CC BY2.0)

Das hatten sich alle wohl ganz anders vorgestellt: Heute gaben SPD und Grüne bekannt, dass die gemeinsamen Koalitionsverhandlungen gescheitert seien. Als Grund wurde von beiden Seiten der Streit über den Ausbau der Berliner Stadtautobahn A100 genannt. Demnach blieb die SPD, allen voran Klaus Wowereit, bei ihrem klaren Einstehen für den Bau des Autobahnteilstücks im Stadtteil Neukölln. Die Grünen hingegen wischen nicht ab von ihrer konsequenten Ablehnung des Weiterbaus. Drei Sondierungsgespräche fanden in den letzten Tagen statt um die großen Differenzen in diesem Punkt zu überbrücken. Letztlich schien es, als hätten sich beide Seiten auf einen Kompromiss geeinigt, als heute die ersten Koalitionsverhandlungen begannen. Dass dem aber nicht so war, wurde spätestens zwei Stunden später klar, nachdem bekannt gegeben wurde, dass die Koalitionsverhandlungen aus erwähntem Grund schnell wieder endeten. Von da an standen die Fragen im Raum, wie es jetzt weitergehen würde und welche Konsequenzen diese Entscheidung haben könnte.

 

Aller Voraussicht nach wird die SPD in kürzester Zeit nun in Koalitionsverhandlungen mit der CDU treten. Was den Bau der A100 angeht, wäre sie damit auf der sicheren Seite, denn auch die CDU ist für einen Ausbau der Stadtautobahn. Andererseits muss die SPD nun wohl deutlich mehr Zugeständnisse an die CDU machen, als wenn sie direkt mit ihr in Verhandlungen getreten wäre. Bisher hätte die CDU wahrscheinlich fast alles gemacht um in Berlin wieder Teil der Regierung zu sein. Jetzt kann sie sich eine Wahl Wowereits zum Regierenden Bürgermeister teuer erkaufen, da der SPD nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Grünen die Alternativen fehlen.

 

Aber wieso musste es überhaupt so weit kommen? Natürlich, in dieser wichtigen städtebaulichen Entscheidung liegen die beiden Parteien über Kreuz. Ansonsten haben sie aber wohl die größten politischen Übereinstimmungen aller derzeit im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Spätestens da wird der SPD wohl dämmern, worauf sie sich nun eingelassen hat. Denn, wie auch Tom Strohschneider auf derfreitag.de aufzeigt, wird es mit der CDU zwar keine Streitereien über Autobahnen geben. Dafür öffnen sich so jedoch einige andere Felder, in denen die beiden ‚großen’ Parteien vollkommen konträrer Meinung sind. So zum Beispiel bei der Frage nach der weiteren Privatisierung oder dem Rückkauf ehemals städtischen Eigentums, wie im Falle der Wasserbetriebe. Genauso gehen die Meinungen auseinander im Bereich der Wohnungspolitik: Die SPD will öffentlichen Wohnraum fördern, die CDU aber nicht.

 

Mit den Grünen hingegen wäre in diesen Fragen eine Einigung wohl ein Leichtes gewesen. Dabei sind es aber wohl letztlich diese Fragen, die für die Bürger und die Stadt von viel größerer Bedeutung sind, als ein paar Kilometer Beton und Asphalt in Neukölln, so tragisch eine Umsetzung dieser Pläne auch wäre. Doch gerade im aktuellen Fall scheint es fast, als würden sich die beiden Parteien damit selbst im Wege stehen. Denn so berechtigt und bewundernswert das Einstehen der Grünen zum ‚Nein’ zur A100 auch ist. Im Endeffekt sind sie die Leidtragenden, da sie so nicht die Chance bekommen, andere stadtpolitischen Projekte durchzusetzen. Gleiches gilt auch für den linken Flügel der SPD.

 

Denn statt einem Kompromiss in diesem einen Punkt, der darauf aber folgenden Durchsetzung vieler anderer ihrer Themen, stehen sie nun vollkommen mit leeren Händen da. Stattdessen sieht nun nämlich alles nach einer Rot-Schwarzen Koalition aus, von der sie für ihre Projekte nicht viel erwarten dürften.

 

Doch die beiden Parteien schaden damit nicht nur sich selbst. Viel geschädigter sind nämlich die Berliner Bürger, die in Umfragen mit einer großen Mehrheit Rot-Grün zu ihrer Wunschkoalition erkoren hatten. Alleine deshalb hätten die beiden Parteien irgendwie über ihren Schatten springen müssen. Alleine deshalb hätte die Suche nach einem Kompromiss, die ja scheinbar schon sehr weit fortgeschritten war, fortgeführt werden müssen. Dieser Wählerwunsch wird nun jedoch aufgrund von ein paar Kilometern Autobahn für die nächsten fünf Jahre missachtet bleiben. Gescheitert an einem Punkt städtischer Politik, der so die Umsetzung vieler anderer vorerst zunichte macht.

 

Aber noch ein anderes Signal sendet dieser Mittwoch in Berlin aus: Das Gelingen einer Rot-Grünen Koalition ist nicht selbstverständlich. Die SPD macht damit eindeutig klar, dass wenn es ihr zu kompliziert wird mit den Grünen, scheut sie sich nicht davor den vermeintlich einfacheren Weg einer großen Koalition zu wählen. Das wird auch Strahlkraft auf die Bundestagswahl 2013 haben. Trotz der Mehrzahl der Befürworter einer Rot-Grünen Koalition in beiden Parteien ist ihrer Umsetzung spätestens seit gestern nicht mehr so sicher. Die SPD zeigt, dass sie sich das „Hintertürchen“ CDU bis zuletzt offen hält. Zu ihrem eigenen Vorteil dürfte dies aber wohl letztlich nicht gereichen, egal ob in Berlin oder bundesweit. Die SPD geht damit nämlich eindeutig den Schritt in die Falsche Richtung. Wenn schon der, (warum auch immer) als linker SPD-Politiker eingestufte Klaus Wowereit die CDU den Grünen vorzieht. Dann würde dies ein Peer Steinbrück dreimal machen.

 

Die SPD dürfte so, ob gewollt oder nicht gewollt, einen Rechtsruck vollführen hin zum konservativen Lager. Dies könnte sich noch als fatal erweisen, zeigte doch schon der letzte Versuch der Anbiederung an die CDU, dass die Folgen für die SPD vor allem negativ waren. Dies könnte jetzt wieder geschehen, nur unter noch anderen Bedingungen. Denn anders als damals ist das linke Lager heute viel besser aufgestellt: Die Grünen sind viel stärker als noch vor sechs Jahren. Zudem erlebt mit den Piraten grade eine Partei ein Umfragehoch, die ins ganze linke Lager noch einmal frischen Wind bringen könnte. Eine SPD, die sich da als eher konservativ und CDU-nah gibt, kann da eigentlich nur verlieren, wird sie der CDU doch kaum Stimmen abnehmen, vom dynamischeren linkeren Teil der Wähler aber definitiv abgestraft werden. Es bleibt also abzuwarten, für wen sich das ganze gestern letztlich gelohnt haben dürfte.

 

Nun also wahrscheinlich Rot-Schwarz: Das klingt irgendwie so gar nicht mehr nach „arm, aber sexy“ – was nicht heißen soll, dass die bisherige Rot-Rote Koalition auch nur einen Hauch an politischer Sexiness versprüht hätte, wenn es so etwas überhaupt gibt. Auch diese wirkte zuletzt ziemlich muffig und langweilig. Am Ende von zwei Amtszeiten ohne neue Ideen. Das hätte sich mit den Grünen vielleicht ein wenig ändern können. Die einzige Änderung mit der CDU ist, dass sich zu ‚muffig’ und ‚langweilig’ nun noch das Wort ‚bieder’ hinzugesellt. Das ganze klingt nun viel mehr nach Charlottenburg-Wilmersdorf als Kreuzberg-Friedrichshain. Und es scheint als dürfte man von den nächsten fünf Jahren nicht allzu viel erwarten, zumindest nicht im positiven Sinne. Bleibt einzig und allein die Hoffnung, dass die wohl kommende Opposition aus Grünen, Linken und Piraten gekonnt die progressiv-konservativ-Karte spielen wird und die Koalition im besten Falle vor sich hertreiben kann. Auf dass der Spuck in fünf Jahren vorbei sein wird.

 


von chris am 06.Okt.2011 in politik

2 Kommentare


  1. Ja, lieber Chris, auch ich habe die Entscheidung der SPD die Verhandlungen nach nicht einmal 2 Stunden “hinzuschmeissen” nicht sofort verstanden… Spannend wird diese Entscheidung wenn man sie auf die bundespolitischen Konsequenzen hin betrachtet. Versuchen wir eine Theorie: Wenn die SPD mit der CDU in Berlin koaliert bricht im Bundesrat die “Vetomöglichkeit” der SPD geführten Länder zusammen. Wowereit macht mit dem Abbruch der Verhandlungen somit Bundespolitik. In einer Koalition mit schwarz kann er sich im Bundesrat nur noch der Stimme enthalten. Spinnen wir ein wenig weiter: Vielleicht ist die Entscheidung im Länderparlament nichts mehr gegen Schwarz-Gelb unternehmen zu können von -Seite der Bundes-SPD-, ja gewollt. Sonst könnte es ja sein, dass Merkel im Bundesrat bei div. Finanz-Rettungsaktionen, die mit Sicherheit noch kommen,einen nationalen Konsenz einfordert, der dann von der SPD mitzutragen wäre, andernrfalls er nicht zustande käme. Also: Die SPD verweigert sich der Eurorettung!! Andererseits: Welcher SPD Politiker will sich schon bei der nächsten Bundestagwahl vorwerfen lassen, die Steuergroschen der Deutschen den Banken hinterhergeworfen zu haben? Insofern kommt die Entscheidung in Berlin nicht mit grün zu koalieren der SPD Spitze sogar sehr gelegen…die Länder können nun im Bundesrat eine schwarz-gelbe Entscheidung nicht verhindern, gleichzeitig aber, ohne politisches Risiko, dagegen sein. .Ich habe, jedenfalls bisher, keine heftigen Proteste zur Berliner Entscheidung aus der Bundesparteizentrale der Sozialdemokraten vernommen…

    • chris sagte am 13. Oktober 2011 um 11:38

      Interessante Überlegung, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Trotzdem kann ich es mir fast nicht vorstellen, dass dahinter ein derart ausgeklügelter Plan steckt. Ich glaube damit würde man die SPD-Parteiführung vielleicht ein wenig überschätzen.
      Ich denke, dass es hier eher ganz individuelle Präferenzen waren, die den Ausschlag gegeben haben – zum Leidwesen der Stadt. Gestern haben ja die Gespräche zwischen SPD und CDU begonnen und da läuft alles erschreckend ruhig und einvernehmlich ab, trotz der viel größeren Differenzen als lediglich ein Stückchen Autobahn, wie mit den Grünen. Wie der Artikel zu Wowereits Politikstil zeigt, hat das ganze viel mit seiner Person zu tun. Man kann schon fast von einem Unwillen seinerseits sprechen, mit den Grünen zu regieren, war es ja nicht das erste Mal, dass er Verhandlungen mit den Grünen sehr schnell abbrach und es nachher daran fest machte, dass die Grünen sich in einem Punkt nicht bewegen wollten. Der Mann hat scheinbar keine Lust auf Rot-Grün, was bestimmt die aufreibendere Koalition gewesen wäre, vor allem mit nur einer Stimme Mehrheit. Die Grünen hätten mit Sicherheit mehr Enthusiasmus in neue Vorhaben gesteckt, als es von einer Berliner CDU zu erwarten ist. Vielleicht hat Wowereit, dem ja eh schon des öfteren Amtsmüdigkeit vorgeworfen wurde, darauf keine Lust und will nur noch ein bisschen runterregieren, bis es dann 2013 in den Bund gehen soll.

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