Spaniens brennende Barrikaden – Der “marcha negra” der Mineros
Mit der #spanishrevolution manifestierten sich die Implikationen des arabischen Frühlings im Mai 2011 erstmals auch in der “westlichen Welt”. Die Menschen versammelten sich damals friedlich auf den Plätzen der Städte, errichteten Protestcamps und diskutierten in Asambleas basisdemokratische Wege aus der Krise. Die Bewegung der Indignados – der Empörten (in Anlehnung an das berühmt gewordene Buch des französischen Resistancekämpfers Stéphane Hessel) – war geboren. #spanishrevolution kann damit als wichtiger Wegbereiter des OWS-Movements gesehen werden.
Ein Jahr später hat sich an den systemischen Problemen, die die Menschen damals auf die Straßen und Plätze trieb, nichts geändert. Das Gegenteil ist der Fall: Eine “alternativlose” Sozial- und Wirtschaftspolitik hat seit dem letzten Jahr dazu geführt, dass sich die Lage weiter verschlimmert hat. Die Arbeitslosigkeit in Spanien liegt bei rund 25%, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei knapp 50%.Die Zahlen der Auswanderer sind auf einem Rekordhoch. Während die spanischen Banken via ESM bzw. EFSF mit 100 Milliarden (= 100.000 Millionen, bzw. 100.000.000.000 €) “gerettet” werden sollen, plant der spanische Staat gleichzeitig Einsparungen in Höhe von 65 Milliarden Euro. Der Widerstand gegen die aktuelle Politik in Spanien wächst.
“angry Bazooka Miners” oder ein “kalter Guerilla-Krieg”
Im Zentrum des Widerstandes in Spanien stehen aktuell (und wohl schon seit einigen Monaten) die Minenarbeiter, die Mineros. Vor allem in der nordspanischen Provinz Asturias halten sie Minen besetzt und errichten immer wieder Straßensperren, legen damit wichtige Verkehrsadern lahm. Sie demonstrieren so gegen die geplanten Einsparungen, die auch die Subventionen des spanischen Minensektors betreffen würden. Direkt und indirekt leben in Spanien rund 40.000 Familien von den Minen, und das vor allem in ansonsten eher strukturschwachen Regionen.
Wenn man die Bilder von den Protesten, dem “Katz und Maus Spiel” der Mineros und der Polizei sieht, schießt einem unwillkürlich das Bild eines “kalten Guerilla-Krieges” in den Sinn: Die Mineros halten die Minen besetzt und errichten brennende Barrikaden auf wichtigen Verkehrswegen. Die Polizei, die geschickt wird, um die Barrikaden zu räumen, schießt mit Tränengas und Gummigeschossen, die Mineros antworten mit Steinen und selbstgebauten Bazookas, mit denen sie die Polizei mit Feuerwerksraketen beschießen. So zynisch es auch ist: Die Mineros kämpfen für ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Regionen, die Zentralregierung gegen ein Verkehrsproblem. Das VICE-Magazin hat einen anschaulichen Artikel aus einer der besetzten Minen.
Noch sind diese Scharmützel in der Provinz vergleichsweise “harmlos” – keine Seite will der anderen den ersten Märtyrer “bescheren”. Beim Betrachten der Bilder sollte man sich trotzdem immer vor Augen halten, dass diese in Spanien, mitten in Europa, entstehen und nicht in Südamerika oder Syrien.
Der Marsch der Mineros oder “La marcha negra”
Um ihren Protest aus der Provinz nach Madrid zu tragen, marschierten einige hundert Bergarbeiter quer durch Spanien. Sie erreichten die spanische Hauptstadt am 10. bzw. 11. Juli 2012, und wurden von zehntausenden Hauptstadtbewohnern (einige Quellen sprechen sogar von 200.000 Menschen) jubelnd begrüßt.
Eigentlich wollten die Mineros am 11.7. zum Wirtschaftsministerium marschieren, aber es kam anders:
Es ist aus der Ferne schwierig zu beurteilen, was der Auslöser war (erschwerend kommt hinzu, dass meine Spanischkenntnisse nur sehr rudimentär sind), Fakt ist aber, dass die Situation am 11.7. eskalierte:
Schwarz gekleidete, vermummte und gewaltbereite Chaoten prügelten in der Innenstadt von Madrid wahllos auf Personen ein, und verletzten mehrere Menschen schwer. Bei Bildern wie diesen wirkt der geflügelte Begriff des “Freund und Helfers” wie ein sympathischer Anachronismus aus längst vergangenen Tagen…
In Zeiten der dezentralen Netzwerkkommunikation erscheint die francoeske “Lösungsstrategie” des “Probleme-Weg Prügelns” doppelt kontraproduktiv: Neben der Zerstörung des Restvertrauens in die Strukturen der Exekutive entstehen Bilder, die durch die Netzwerke zirkulieren, und so ikonisch werden.
Das Versagen der vierten Gewalt
Umsomehr ist es erstaunlich, dass die Massenmedien in Deutschland kaum über dieses Thema berichten. Keine Hintergrundberichte über die Mineros und die besetzten Minen. Keine Reportagen über die Gewaltexzesse der Madrider Polizei. Nichts über die spontanten Streiks und Straßenbesetzungen von Beamten in Madrid. Immerhin: Über die Großdemonstartionen am 19.07.2012 gibt es einige Berichte.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, durch die bloße Rezeption der klassischen Massenmedien umfassend informiert zu sein. So tragisch – und zeitaufwändig – es ist: Will man heute informiert bleiben, muss man selbst recherchieren.
Die Hymne der Mineros: Santa Bárbara bendita
“Freude schöner Götterfunken”
In einem meiner Texte zu OccupyWallStreet schrieb ich letztes Jahr: “Diese Revolte wird sich nicht über Nacht in Wohlgefallen auflösen.” Dasselbe gilt nun auch für die Unruhen in Spanien. Unter vielen der Videos, die ich im Zuge der Recherche zu diesem Text gesichtet habe, stand als Top-Kommentar: “Solidarity from Greece”.
Was passiert eigentlich gerade in Griechenland?
Gracias, Vielen Dank Fabian. Es importante que la gente sepa lo que está pasando en España.
Recuerdos desde Barcelona.
Elisenda
Gracias, Vielen Dank. I had just posted something in Spanish. It is a very well-made post. Thank you. Things like this article helpcreate bonds between people. I am a Spaniard and I think people ought to know what is happening in Spain. Thanks, Fabian for all the work of research you have done to write this post.
Salut i anarquia!
records, grusse des de Barcelona
Krass!