“Was hat dich bloß so ruiniert?!”

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Barack Obama. Foto: DonkeyHotey (CC BY 2.0)

An Silvester war es soweit. An diesem Tag unterzeichnete US-Präsident Barack Obama den „National Defense Authorization Act“ (NDAA). Zum einen werden damit für 2012 Militärausgaben in Höhe von 662 Milliarden US-Dollar (!) genehmigt (der gesamte deutsche Bundeshaushalt beträgt dieses Jahr 306,2 Mrd.). Zum anderen sind aber auch etliche Beschlüsse Teil dieses Gesetztes, die mit Rechtsstaatlichkeit nicht im Geringsten etwas zu tun haben. Damit erreicht eine lang andauernde Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt: Die Enttäuschung der einstigen Wähler und Sympathisanten auf der ganzen Welt über die Politik Barack Obamas.

 

Jenseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit

 

Überall auf der Welt empörten sich letzte Woche Bürgerrechtler und Medien über den NDAA, der für viele das Fass endgültig zum Überlaufen bringt. Abschnitte des Gesetzes, die sich auf den Anti-Terror-Kampf beziehen, sehen unter anderem vor, dass das US-Militär Terrorverdächtige im In- und Ausland festnehmen kann… Ohne Gerichtsverfahren und zeitliche Beschränkung! Zudem darf die US-Armee im Ausland Gefangenenlager errichten. Von George W. Bush wäre so etwas zu erwarten gewesen, aber von Obama? Des Weiteren wird durch Gesetzespassagen eine Schließung Guantanamos quasi unmöglich gemacht. Diese hatte Obama noch im Präsidentschaftswahlkampf versprochen. Nach Amtsantritt hatte er sich jedoch stets darum gewunden und das Gefangenenlager geduldet. Das neue Gesetz kommt nun sogar einer Quasi-Anerkennung Guantanamos gleich. Doch dies ist nur eines der Beispiel dafür, womit Barack Obama seine Wähler und Anhänger verdrossen hat.

 

Obama brachte die Welt zum Träumen

 

Bei seiner Wahl 2008 verkörperte er noch die Hoffnung von Million von Menschen weltweit, dass eine andere Politik möglich ist. Wie kein anderer Politiker stand er für einen möglichen Wandel, einen Change, hin zu einer Politik, die besser für die USA und vor allem auch besser für die ganze Welt sein sollte. Und so inszenierte er sich auch ganz bewusst als Gegenstück zum Amerika der Bushs und Cheneys mit ihrem Anti-Terror-Kampf, Waterboarding und neoliberaler Finanzpolitik. Er symbolisierte das andere Amerika, das junge und weltoffene, dessen Existenz man nach acht Jahren Bush schon fast vergessen hatte. Dafür versprach er viel: Folter und andere umstrittene Methoden im Anti-Terror-Kampf sollten verboten werden, Grüner sollten die USA werden, die Einkommensungleichheit verkleinert werden. Zudem versprachen sich viele von einem Präsident Obama, dass eine gerechte und friedliche Lösung für den Nah-Ost-Konflikt gefunden würde, ja eine Aussöhnung mit der ganzen arabischen Welt stattfände. Alles gemeinsam gebündelt in den Worten Hope und Change, die die ganze Welt zum träumen brachten.

 

Die Realität indes sah schnell anders aus: Die sich immer stärker ausbreitende Finanz- und Wirtschaftskrise ließen viele wirtschaftspolitische Ziele Obamas zunichte werden und machten ihn direkt zum Getriebenen. Fortan hieß es meist nur reagieren auf immer negativere Entwicklungen in Wirtschaft und Finanzbranche. Dass er für den Ausbruch der Krise nichts konnte, sondern, dass sie zu großen Teilen die Schuld seines Vorgängers war, war bald allen egal. Vor allem den eigentlich verantwortlichen Republikanern, die schnell begannen auf Obamas Maßnahmen einzuprügeln wie es nur ging und ihn mehr und mehr vor sich hertrieben. So machten sie ihn verantwortlich für die enormen Schulden der USA, die sich auf ca. 15 Billion US-Dollar belaufen. Natürlich hat Obama an diesen einen Anteil. Meist jedoch nur deshalb, weil er sich zur Rettung von Geldinstituten und der Förderung der Wirtschaft genötigt sah, deren Probleme andere verursacht hatten. Wenn Obama jedoch einmal Entscheidungsspielraum hatte und diesen gab es gewiss, dann nutzte er ihn nicht. So wehrt er sich beispielsweise bis heute standhaft gegen die Einführung einer globalen Finanzmarkt-Transaktionssteuer und trägt damit maßgeblich dazu bei, dass deren Umsetzung nicht längst erfolgt ist. Und so ist es teilweise eben doch auch ihm anzulasten, dass die Schere zwischen Arm und Reich in den USA so weit auseinander ist wie nie zuvor und auch weiterhin auseinander gehen wird.

 

Grüne Revolution abgeblasen

 

Ein weiterer zentraler Punkt während Obamas Präsidentschaftswahlkampf war der Kampf gegen den Klimawandel. Der CO²-Ausstoß sollte reduziert, erneuerbare Energien gefördert und ‚grüne’ Jobs geschaffen werden. Doch wie wenig auch von diesem Versprechen übrig geblieben ist, ist erschreckend. Zunächst konnte Obama entsprechende Vorhaben nicht durchsetzen. Dann begann er aber zusehends auch dem entgegen gerichtete Projekte zu fördern, wie beispielsweise den Bau von „Keystone XL“, einer Öl-Pipeline quer durch das ganze Land, die er jedoch einst im Wahlkampf selbst ablehnte und deren veränderter Route er erst nach heftigen Protesten von Umweltschützern zustimmte. Auch die Hoffnung, mit Obama würde von Seiten Amerikas endlich Vernunft in die weltweite Klimapolitik gebracht, erwies sich als vergebens. Ein ums andere Mal verweigerte sich Obama der Zustimmung zu dringend nötigen Klimaabkommen und ist so mit verantwortlich, dass die Welt ein ums andere Mal ihre ‚letzte Chance’ verspielt.

 

Lösung für Nah-Ost verzögert

 

Sogar fast noch unverständlicher scheint Obamas Nah-Ost-Politik. An eine bald mögliche Einigung glaubt wohl niemand mehr. Ein Grund dafür ist auch Obamas Zurückhaltung, statt endlich einen ernst gemeinten Friedensprozess anzugehen. Stattdessen gerät seine Linie gemeinsam mit der aller westlichen Regierungen immer mehr zur Farce. Ständig wird sich über die Siedlungpolitik Israels beschwert. Deshalb jedoch entschiedener Israel seine Grenzen aufzuzeigen und zur Vernunft zu gemahnen, im Sinne des Friedens in Nah-Ost, schafft doch keiner. Auch nicht Obama, der als wichtigster Verbündeter Israels eigentlich in der Lage wäre, mit entschiedenerer Politik und Druck, den Friedens-Prozess endlich voran zu treiben. Dies geschieht jedoch nicht. Stattdessen werden auch von Obama nur weiterhin Fahrpläne ausgegeben, wie die Friedensverhandlungen aussehen sollten und dass eine Lösung Zeit brauche, wie zuletzt bei der UN-Vollversammlung ende September. Dass die Enttäuschung Palästinas damit nur weiter wächst und der Glaube an eine friedliche Lösung schwindet, während Israel sich in seiner Siedlungspolitik bestärkt sehen kann, wird dabei billigend in Kauf genommen. Ein möglicher Frieden in Nah-Ost jedoch, rückt damit in immer weitere Ferne.

 

Verbunden mit all den Punkten, die zur großen Enttäuschung über Obama geführt haben, steht dabei die Frage, wie es dazu kommen konnte. Was hatte ihn bloß so ruiniert? Was war passiert, dass sich der Traum nicht erfüllte, sondern alle unsanft daraus geweckt wurde? Yes, We Can! war sein Schlachtruf zu Wahlkampfzeiten, der ein ganzes Land elektrisierte. Doch nach über drei Jahren Amtszeit bleibt festzuhalten, dass er nicht konnte. Oder wollte er gar nicht? Es ist gibt wohl eine Vielzahl an Gründen dafür, dass die Hoffnungen unerfüllt blieben.

 

Das Scheitern hat viele Gründe

 

Zum einen war Obama wahrscheinlich von Anfang an ein Opfer der Umstände, die seine Amtszeit begleiteten, wie die Wirtschafts- und Finanzkrise. Zum anderen musste er die Verantwortung für Altlasten übernehmen, die er selbst nicht entschieden hatte, wie den Irak-Krieg. Alles Sachen für die er nichts konnte, die fortwährend aber unweigerlich auch mit seinem Namen verbunden sein würden. Darüber hinaus enttäuschte Obama aber auch oft genug, wenn er die Möglichkeit zum Wandel hatte. Statt seinen eigenen Wahlkampf aussagen zu vertrauen und die Chance des Wandels zu sehen, sah er fortan meist den Kompromiss, den angeblichen Sachzwang. Obama war zu einem normalen Politiker geschrumpft. Der Polit-Superstar war auf dem Boden der vermeintlichen Tatsachen angelangt. Auf dem Weg dorthin verlor er jeglichen Mut für Veränderungen, Glauben an Innovationen und die Gabe, diese dem Volk zu vermitteln.

 

Bei anderer Betrachtung ist jedoch die grenzenlose Hoffnung die weltweit in den US-Präsidenten gesetzt wurde auch teil des Problems. Die Hoffnungen und Erwartungen waren derart überhöht, wie hätten sie jemals nicht enttäuscht werden können?! Entscheidungen, wie die Vergabe des Friedensnobelpreises 2009 an Obama, die zur Medaille gewordene Hoffnung auf das, was er leisten würde, wirken heute unvorstellbar und wie aus einer anderen Zeit. Hätte einem denn nicht vorher klar sein können, dass all die Versprechungen niemals eingehalten werden konnten?

 

So oder so, man läuft bei genauer Betrachtung der Lage Gefahr Zyniker zu werden: Da ist jemand, der verspricht, dass sich alles zum Guten ändern kann und der inhaltlich für eine Fülle von Punkten steht, die die Hoffnung auf ein Eintreten dieser Aussage nähren. Tatsächlich schafft es dieser Mann, in das mächtigste Amt der Welt gewählt zu werden. Ein Moment in dem auf einmal alles möglich schien. Doch statt fortan selbst die Welt zu verändern, veränderte die Welt nur ihn.

 


von chris am 11.Jan.2012 in politik

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