Ein Abstecher nach Brunei, Tag 1 von 2
Vorgestern waren wir auf dem höchsten Berg Südostasiens. Heute sitzen meine Schwester und ich auf dem Marktplatz von Kota Kinabalu, schlürfen Saft aus einer frisch aufgeschlagenen Kokosnuss und überlegen uns, was wir eigentlich noch so machen wollen auf Borneo. Dass wir hier und nicht in Sri Lanka sind, liegt einerseits an Air Asias Umbuchungsbestimmungen, andererseits an einem vollmondgeschädigten Holländer. Sein Tipp mit dem Berg war ja auch ganz gut – aber was jetzt?
Während ich mit einem Löffel das Fruchtfleisch aus der Kokosnuss herauskratze, blättert meine Schwester in unserem Reiseführer. „Wie wär’s mit Brunei?“ – „Hmmm.“ Wir stellen fest, dass sich unser kollektives Wissen über Brunei Darussalam mit vier Worten zusammenfassen lässt: klein, stinkreich, Öl, Sultan. „Na, wenn wir schon hier sind, oder?“ Also buchen wir zwei Plätze auf einer Fähre, die uns am nächsten Morgen – ohne die auf dem Landweg benötigte dreifache Grenzüberquerung – über die Insel Labuan in die Bruneiische Hauptstadt Bandar Seri Begawan bringt.
Gegen Mittag erreichen wir den Hafen Muara. Ein Shuttlebus ruckelt mit uns an zahlreichen prächtigen Villen vorbei in die Stadt, wo es nur zwei Billigunterkünfte gibt. Die eine, eine Jugendherberge, ist aus unersichtlichen Gründen geschlossen. Die andere heißt K.H. Soon und liegt im dritten Stock eines alten Hochhauses. Während meine Schwester sich auf eines unserer zwei Betten wirft, gehe ich erst mal ins Bad – von der Decke dort tropft es schon so lange, dass sich ein fünf Zentimeter langer Stalaktit aus Kalk gebildet hat. Ich fotografiere ihn.
Ein Stockwerk unter uns befindet sich in einem kleinen, spärlich eingerichteten Zimmer eine Touri-Info. Rudi, der einzige Angestellte, gibt uns ein paar Tipps und dann geht’s los. Erstes Ziel: die Moschee Sultan Omar Ali Saifuddien. Okay, heute ist sie für nicht-muslimische Besucher geschlossen, aber das Gebäude und seine Außenanlagen sind schon mal sehenswert: Ein künstlicher Teich rahmt die Moschee von einer Seite ein, in ihrer Mitte ein Schiff aus Stein, das man über einen Steg erreicht.
Als nächstes besuchen wir das Royal Regalia Museum – und zwar barfuß, denn wie in manch anderen Orten der Verehrung müssen auch hier die Schuhe draußen bleiben. Das Museum dreht sich um den aktuellen Sultan, der schon für das frühe Auswendiglernen seines eigenen Namens Bewunderung verdient: Sultan Haji Hassanal Bolkiah Mu’izzaddin Waddaulah ibni Al-Marhum Sultan Haji Omar Ali Saifuddien Sa’adul Khairi Waddien.
Das Museum zeigt wichtige Gegenstände aus seinem Leben, zum Beispiel den Wagen, auf dem er nach seiner Krönung durch die Straßen gezogen ist, und die Uniformen der gesamten ihn begleitenden Prozession. Ja, man kann sagen, es ist ein großes Gebäude. Der Straßenzug anlässlich seines 25. Jubiläums steht hier auch. Genauso wie die von Gold glänzenden Insignien des Sultanats, Photos aus dem Leben des Sultans von Kindheit bis heute und eine Fülle von Geschenken, die der Sultan über die Jahre von diversen wichtigen und reichen Menschen erhalten hat. Die Marmorböden sind kühl, Photos darf man keine machen, und schon bald wird einem schwindelig vom überwältigenden Reichtum, der hier stolz zur Schau gestellt wird. Wir brauchen erst mal was zu essen.
Da es nun schon Abend wird, folgen wir Rudis Rat und nehmen einen Bus zum Nachtmarkt, um dort lokale Spezialitäten zu probieren. Als erstes fällt uns auf, dass uns niemand lautstarke Warenanpreisungen entgegenschleudert. Ganz im Gegenteil, je näher wir einem Stand kommen, desto abgelenkter tut der Besitzer; er sieht in eine andere Richtung, er räumt irgendetwas um, er beginnt ein Gespräch mit seinem Nachbarn. An einem Stand möchten wir eine Papaya kaufen – und erst, als ein uns wohlgesinnter Einheimischer dem Inhaber auf die Schulter tippt, wendet sich der uns widerwillig zu. Englisch sprechen, wie anstrengend. Auf unsere Kundschaft ist er nicht angewiesen, anscheinend hat er davon genug, und der Sultan kümmert sich schließlich auch ganz gut um sein Volk.
Trotzdem schaffen wir es, auf dem Nachtmarkt so einige einheimische Süßigkeiten zu erstehen. Viele davon beinhalten Palmzucker und sind knallgrün – die natürliche Farbe einer essbaren Pflanze, wie uns Rudi vorgewarnt hat. Meine Lieblinge sind allerdings die runden braunen Kekse, die vor Zucker nur so im Mund knistern.
Da ab halb sechs in ganz Bandar Seri Begawan kein Bus mehr fährt, wollen wir die gut drei Kilometer zurück zu unserer Unterkunft laufen. Keine 30 Meter sind wir gegangen, als neben uns ein Auto hält. „What are you doing?“, ruft uns der Fahrer zu. Es ist der Einheimische, der uns beim Kauf der Papaya geholfen hat. „Going home“, antworten wir. Er schüttelt den Kopf und bietet uns an, uns ein Stück mitzunehmen. Was für hilfsbereite Menschen es doch gibt!
Im K.H. Soon schlagen wir uns noch kurz mit dem Getröpfel der Duschen herum und fallen dann erschöpft ins Bett. Die Klimaanlage brummt. Morgen wollen wir in die Stelzenstadt.
Vor einem Jahr war Barbara mit ihrer Schwester in Südostasien unterwegs. Hier beschreibt sie ihre spontane Reise nach Brunei – zwei Tage in zwei Teilen. Weiter geht’s am 21. Dezember.