In zwei Wochen durch den Iran #5: Das Herz der Macht und Fazit

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Vorab: Billig wird noch billiger. Etwas, das ich schon einmal angesprochen habe und mir leider keiner vorher gesagt hat war der Trick mit dem Wechseln. Heute haben wir nochmal Geld wechseln müssen und dabei diesmal statt 15.000 Rial pro Euro 24.000 Rial erhalten – billig wird dadurch noch billiger (für Nachahmer: Ecke Ferdosistrasse und Manchuristrasse sind die guten Wechselstuben). Ärgerlich, dass wir ausgerechnet dem Staat hier eine Spende von ca. 100 Euro pro Person hinterlassen haben. Aber gut, Lehrgeld bezahlt, nächstes Mal wird’s klüger gemacht. Des Rätsels Lösung ist übrigens, dass man weniger klassisch wechselt, als dass Leute alles dran setzen Rial in Euros oder Dollar anzulegen – Anlagen in Rial wären aber derzeit auch herzlich dämlich…

 

Das Herz der Macht – Qom

 

Heute sind wir als letzte Station der Reise noch nach Qom gefahren, das ca. 70 km südlich von Teheran liegt. Qom ist die viert-heiligste Stätte der Shiiten (nach Kerbala und Nadjaf im Irak und Mashad im Iran) und Sitz des hier tonangebenden Wächterrats. Dementsprechend vorsichtig sind wir, da ja nach wie vor Ramadan ist. Letztlich geht aber doch alles sehr locker – wie inzwischen eigentlich schon zu erwarten. In Qom gibt es deutlich mehr Männer mit Turban. Diese sehen aber alle – muss man einfach sagen – ziemlich freundlich aus. Natürlich hat das nicht viel zu sagen, mit dem strengen Blick des Staatsgründers Ruhollah Chomeini haben diese aber einfach wenig gemein.

 

In Qom gehen wir zum Heiligen Schrein, der die Stadt so heilig macht: Tolle Architektur, sehr einnehmende Atmosphäre. Gegen Ende, noch in der Stätte, nehmen wir dann unseren Mut zusammen und fragen zwei Turbanträger, ob wir ein Foto mit ihnen machen können. Und siehe da, sie freuen sich sehr und nehmen uns nacheinander in ihre Mitte, um sich fotografieren zu lassen. Sie kommen übrigens aus dem Irak, genauer aus Nadjaf und Kerbala und freuen sich sehr darüber, dass wir die Reise in den Iran „gewagt“ haben. Wieder einmal gilt zu sagen, dass es für uns ein sehr entspannter Besuch ist. Eine Anekdote sei zudem noch erwähnt: Draußen außerhalb der Stätte, keine dreihundert Meter vom Heiligtum entfernt sitzen tatsächlich Iraner am dritten Tag des Ramadan und essen, trinken und rauchen. Ich behaupte mal, dass das in Ägypten zu einer mittelgroßen Massenschlägerei geführt hätte. Danach geht es zurück nach Teheran. Die letzte Nacht im Hotel, bevor es dann am nächsten Morgen über Istanbul wieder nach Hause geht.

 

Das Grab des Ajatollah Chomeini

Fazit

 

Ein kurzes Fazit ist angesichts der vielen, vielen Eindrücke ist natürlich schwer wenn nicht unmöglich. Zumal es ja einfach mehrere Ebenen gibt, auf denen man das Erlebte reflektieren kann: Reisetechnisch, persönlich, politisch, etc. Des Weiteren waren wir nicht im ganzen Land und haben nicht mit allen 70 Millionen Iranern geredet. Auch haben wir selbstredend ‘nur’ mit der Bevölkerung geredet, nicht aber mit der Regierung – was aber auch klar sein sollte. Dennoch lässt sich Folgendes sagen:

 

  • Alles in allem ist der Iran sehr entspanntes Reiseland, wenn man sich nicht blöd anstellt, sich an die Regeln hält und eben manchmal auch die Chance auf Abenteuer, die sich dauernd bietet, verstreichen lässt.
  • Die Menschen sind einen Besuch wert. Wir wurden überall freundlich empfangen und haben Gastfreundschaft erlebt, wie man sie in Deutschland eben nicht mehr kennt. Das aus Ägypten bekannte “gehustle” bleibt vollkommen aus!
  • Man erweitert ohne Frage seinen Horizont hier. Landschaft, Geschichte, Kultur und Architektur tun ihr Übriges.
  • Hin und wieder wird man etwas über den Tisch gezogen. Das hält sich aber stark in Grenzen. Bei den Preisen zahlt man dann zum Beispiel mal ein oder zwei Euro zu viel, was verkraftbar ist.
  • Die Sprachbarriere ist ein echtes Problem. Englisch ist leider Mangelware.
  • Auf circa hundert Mal “Where are you from?” – “Germany.” – Nur zweimal die Antwort “Heil Hitler”. Da hatte ich wirklich schlimmeres erwartet…

 

Am Friedhof der Gefallenen des Iran-Irak-Kriegs in Teheran

Zum Thema Religion

 

Auch als wir mit unserer Freundin hier in Teheran darüber geredet haben, fand diese These große Zustimmung und deckt sich ja auch mit den Ramadanerfahrungen: Von einer fundamentalistischen Gesellschaft kann einfach keine Rede sein. Die Gesetze sind strikt und führten zum Beispiel in den letzten drei Jahren zur Schließung von 270 Bars und Cafés allein in Teheran. Der gesellschaftliche Druck zur strengen Befolgung ist aber minimal. Insbesondere im Umgang mit dem Ramadan und dem Tragen der Kopftücher als stylisches Accessoire wird das deutlich.

 

Reiseemfehlung?

 

Ja, auf jeden Fall. Auch Freunden, die mit Familie reisen wollen oder mit der Freundin unterwegs sind, ist der Iran zu empfehlen – tausendmal mehr als derzeit Ägypten zum Beispiel. Ein großes Fragezeichen wirft aber natürlich die weitere Entwicklung Syriens und die enge Verbindung zum Schicksal des Irans auf. Die Aussichten sind da ja alles andere als rosig. Für den Moment lässt sich aber noch sagen: Do it!

 

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote: Nasen OPs sind im Iran tierisch in. Hier versteckt man das nicht wie bei uns, sondern flaniert sozusagen aus der Praxis durch die Stadt. Wir haben daher einen kleinen Wettbewerb gestartet, wer mehr frisch operierte Nasen sieht (also Pflaster noch auf der Nase). Endstand: Anton 13, ich 13: Unentschieden.

 

In diesem Sinne: Schab alchir – gute Nacht.


von gastautor am 05.Nov.2012 in globus

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