In zwei Wochen durch den Iran #3: Von Kharanaq bis Isfahan

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17.7., Kharanaq:

Nachdem wir mittags im Internetcafe waren – ein netter Bahai-Pakistani hat uns ein sehr gutes in Yazd gezeigt – haben wir uns entschlossen, zusammen mit Wolfgang (dem Deutschen, den wir kennengelernt haben) ein bisschen die Umgebung von Yazd zu erkunden. Nachmittags chartern wir dafür zu dritt ein Taxi  (5 Std. oder 170 km für 13 Euro pro Person inklusive großes Trinkgeld).

 

Mit dem geht es dann nach Kharanaq und Chak-Chak. Wobei eigentlich die Fahrt es selbst schon wert ist, mehrere Seiten darüber zu schreiben: Es geht 70 Kilometer durch die ostiranische Stein- und Sandwüste, auf beiden Seiten Berge, einfach eine beeindruckende Landschaft. Da kann man sich, wenn man diese endlosen schnurgeraden Straßen entlang tuckert, schon gut vorstellen wie das früher für die Händler mit ihren Karawanen auf der Seidenstraße war: Immer geradeaus, 50 km am Tag, nicht kürzer und nicht weiter. Denn außer den Raststationen, die sich in eben diesem Abstand befinden, gibt es dort einfach nichts. Vorher halten ist also nicht drin.

 

 

Nach einigen Stunden kommen wir in Kharanaq an. Dort gibt es eine Altstadt wie aus dem Bilderbuch: Alte Lehmhütten, teils halb zerfallen, kleine Bäche die sich durch den Ort ziehen, daneben Felder auf denen einzelne Männer und Frauen ihre Arbeit verrichten. Immer wieder ein Packesel mit Reiter. Hätten wir nicht Handys, Kameras und so weiter dabei, man könnte denken es ist 1920. Bein Spazieren machen wir gefühlte 700 Fotos und nach kleiner Rast geht es zurück zum Taxi. Auf der Weiterfahrt sind wir alle drei stark beeindruckt.

 

Dann geht es weiter nach Chak-Chak. Aber auch hier wieder das Gleiche: Die Fahrt selbst ist schon ein Highlight. Dabei haben wir das Glück, in einen der seltenen Regenschauer zu kommen. Alle Berge glitzern plötzlich wie schneebedeckt, die Luft riecht nach Regen. Wolken und Sonne komplettieren das beinahe unbeschreibliche Panorama.

 

Chak-Chak ist einer der heiligsten Orte der Zoroastrier, die früher im Iran die Hauptreligion stellten, heute aber nur noch mit ca. 25.000 Menschen hier vertreten sind. Chak-Chak ist ein Bergtempel, nach der Anfahrt sind noch circa 200 Stufen zu erklimmen. Der Legende nach versteckte sich hier die letzte Zoroastrierprinzessin nach der Arabischen Invasion. Als das Wasser knapp wurde, hat sie – wenn ich das richtig verstanden habe – ihren Dienern befohlen, sich gegen die Wand zu schleudern, woraufhin langsam Wasser aus dieser tropfte (Chak Chak = Tropf Tropf). Wieder so ein Ort, der einfach wundervoll ist: 1000 Jahre alte Bäume, ein ewiges Feuer und warum auch immer, es tropft tatsächlich aus der Decke.

 

Chaq-chaq von unten

Wie gesagt, der Ort selbst ist schon toll, noch besser wird es aber, weil eine Zoroastrische Großfamilie (Teheraner, Amis und Franzosen) dort ist, die picknickt und uns sofort Tee, Kekse und Melone reichen. Super nette Menschen, die dem Ort noch das gewisse Etwas geben. Mit dem Franzosen unterhalte ich mich eine Weile. Er berichtet über die Schwierigkeiten, die er und seine Glaubensbrüder im Iran haben, wie schwer es ist zu studieren und einen Job zu finden. Toll ist, dass man mal wieder mit Frauen reden kann, ohne ein komisches Gefühl zu haben. Kopftücher? Fehlanzeige. Die Familie lädt uns zudem zu sich ein, für wenn wir wieder in Teheran sind. Ich hoffe, dass wir es schaffen werden.

 

Dann geht es zurück nach Yazd. Abendstimmung. Und vorbei an Tausenden von Bildern Gefallener des Iran-Irak Krieges, eingerahmt in Blumen entlang der Straße – viele erst noch Kinder.

 

Abends gibt es noch ein letztes Essen im Hotel (Silk Road Hotel), welches ich allen nur wärmstens empfehlen kann, noch mit dem Paki geschwätzt und dann noch mit zwei Angestellten bis halb eins Tee getrunken und iranische Sitten gelernt. Eigentlich will ich ja oft gerne mehr mit den Leuten über die Probleme hier reden, aber das war so eine Situation, die dazu einfach zu schade gewesen wäre – die Stimmung war einfach zu schön. Wäre ich doch Kunstkritiker oder Archäologe, dann wäre das manchmal einfacher!

 

Ein paar Zeilen wert ist mir auch noch Pakistan. Pakistan ist für viele im Westen als Reiseziel wahrscheinlich genauso absurd wie der Iran, wenn nicht noch viel absurder. Eine Spanierin haben wir getroffen, die dort war – sie war sehr begeistert. Einen Deutschen, der mit Fahrrad auf dem Weg dorthin war, haben wir auch getroffen. Auf der anderen Seite der Pakistani selbst, der beide für mehr oder weniger verrückt erklärt hat und Geschichten von Touristen auf Lager hatte, die erschossen wurden weil sie die Polizei nicht schmieren wollten. Keine Sorge, ich habe nicht vor so schnell nach Pakistan zu fahren, aber wenn man sieht, wie im Iran Vorstellung und Realität auseinanderklaffen…

 

So viel also aus Yazd, bis jetzt das absolute Highlight in meinen Augen.

 

18.7., Fahrt nach Isfahan:

 

Moschee in Isfahan mit einem der ersten Turbanträger, den wir sahen – da mussten wir natürlich ein Foto machen.

Ankunft gegen 3 Uhr nachmittags mitten in der Siesta, darum alles recht leer und auf den ersten Blick etwas enttäuschend. Das von der Bibel (Lonely Planet, leider von 2008) empfohlene Hotel stellt sich als Reinfall heraus – überteuert, unfreundlich, stinkt, richtig schlechtes Zimmer… Dementsprechend verbringen wir dort nur eine Nacht, heute sind wir dann nach kurzer Suche in ein pro Person 1,50 Euro teureres Hotel gegangen, die Belohnung: freundliches Personal, eigenes Bad, sauberes (Keller-)Zimmer, eben genau der Rückzugsort, den man bei 40 Grad und in einer Großstadt wie Isfahan (ca. 1,5 Mio. Menschen) braucht.

 

Gestern Abend noch in einem Touri-Restaurant gewesen, war etwas teurer aber sehr lecker und sozusagen unsere Halbzeitbelohnung. Schön war, dass sich am Nebentisch (Tisch ist eigentlich falsch, Gelageplatz trifft’s besser) vier ca. 40 jährige Iranerinnen getroffen haben. Die haben sich köstlich amüsiert über unsere Unwissenheit beim Verzehr der lokalen Speisen, waren total nett und eben so ein Positivbeispiel für iranische Frauen. Haben uns sogar getraut nach einem Foto zu fragen – war gar kein Problem.

 

Heute haben wir dann den vom Lonely empfohlenen “Walk” durch Isfahan gemacht und dabei dann doch am Bazar, im Gewirr der Altstadt und bei den vielen alten, aber beeindruckenden Moscheen den Charme der Stadt entdecken dürfen. Die Leute waren mal wieder super, mitten im Bazar wurde uns köstlicher eiskalter Saft kostenlos angeboten, ein Ladenbesitzer konnte englisch, war mal in Deutschland gewesen und hat sich riesig gefreut, dass wir da waren. Die alte Leier, iranische Menschen mögen alle, aber die Regierung ist eben das Problem. Die Inflation bezifferte er auf ca. 100 % pro Jahr – man stelle sich das mal in Deutschland vor. In diesem Zusammenhang kursiert hier übrigens auch die Rede von der Hühnchen-Krise: Preise für Huhn sind massiv angestiegen, Teile eines Films sollen nun zensiert werden, nicht aber wegen kritischen oder unmoralischen Inhalten, sonder weil dort gezeigt wird wie man ein super leckeres Huhn zubereitet… Unglaublich.

 

Moschee in Isfahaner Altstadt

Mittags, in Anbetracht der 40 Grad und der katastrophal dünnen Kaffehausdichte haben wir uns dann wieder in ein Touri-Restaurant zurückgezogen (Touris sind übrigens hier alles Iraner und Araber – Westler in Isfahan bis jetzt: 2 außer uns!) und gut gespeist. Uns wurde einfach ein Haufen an Salaten und Desserts auf den Tisch gestellt, ganz schöne Abzocke, 9 Euro wollten sie pro Person, aber da haben wir mal die Abzocke zurück gegeben und einen Teil der Nachspeise (die wirklich grausig geschmeckt hat), den wir nur probiert hatten, nicht bezahlt und uns aus dem Staub gemacht.

 

An dieser Stelle: Die größte Abzocke bisher war der Geldwechsel am Flughafen. Wir Deppen haben dort für einen Euro 15.000 Rial bekommen, auf der Straße in Teheran sind es 24.000… naja, Lehrgeld bezahlt würde ich mal sagen, dummerweise eben direkt an den iranischen Staat.

 

Dann noch eine nette Episode: Auf dem Rückweg vom Restaurant zum Hotel lief ein Soldat vor uns und ich wollte gerade noch zu meinem Mitreisenden sagen, dass ich mir so einen iranischen Soldaten aus einem Armeewerbefilm vorstelle – gut rasiert, Sonnenbrille, etc., da dreht er sich um und fängt an, auf deutsch mit uns zu reden. Lange Rede kurzer Sinn, Wehrpflichtiger kurz vor Ende seiner Dienstzeit war er, hat Social irgendwas studiert und ist großer Nietzsche, Weber und Goethe Fan. Den Militärdienst (sein Adjektiv diesem bezüglich kann ich aus Jugendschutzgründen nicht verwenden) nutzte er vor allem zum Lesen – wir haben uns dann gleich mal für den nächsten Tag mit ihm zum Kaffee verabredet.

 

So, das war es aus Isfahan, Zeit für eine kurze Halbzeitbesprechung:

 

1. Der Iran ist als Reiseland derzeit einfach nur empfehlenswert. Die Preise stimmen (ca. 300 Euro für 10 Tage werden es wohl werden, und das ohne dass ich mich besonders zurücknehme), die Menschen sind super, Landschaft, Kultur und Geschichte runden das Ganze ab.
2. Irgendwie scheint alles ganz gut zu funktionieren, zumindest aus der Perspektive eines Touristen, der nur kurz an einigen Orten verweilt und dann weiterzieht.
3. Damit ist irgendwie alles anders – deutlich besser – als erwartet. Kein Stress mit Polizeikontrollen (waren bislang noch in keiner Einzigen), nicht der Stress und die Unruhe, die einen derzeit z.B. in Ägypten erwarten.
4. Aber in Gesprächen wird immer sehr schnell deutlich, dass dies eben leider nur oberflächlich so aussieht, in Wahrheit ist da natürlich noch deutlich mehr los.
5. Damit lässt sich die Reise bis jetzt als sehr interessantes und erfolgreiches Surface Scratching beschreiben, erste Eindrücke sind gesammelt, bin beeindruckt und um viele Erfahrungen reicher, hoffe aber jetzt noch etwas in die Tiefe gehen zu können.
Sodala, das war es für heute, 6 Uhr ist es hier, auf zum Uferkaffe, Shisha rauchen, dann picknicken auf dem großen Imam Square und schauen, was dort so passiert. Wie geht es weiter? Morgen noch ein Tag Isfahan, dann zurück Richtung Teheran, vielleicht noch mit Halt in Qom, dem politischen und religiösen Zentrum des Landes. Da am Samstag aber der Ramadan beginnt, ist alles noch etwas unsicher. Wir haben keine Ahnung, was uns dann dort erwartet – spannend wäre es aber schon.

 

 
Das war es mal wieder mit Eindrücken aus dem Iran, geschildert von unserem Gastautoren Matthias. Nächste Woche Montag geht es dann mit dem nächsten spannenden Bericht unserer fünfteiligen Iran-Serie weiter.

 


von gastautor am 22.Okt.2012 in globus

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