15. Oktober 2011- The Times They Are A-Changin

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#occupywallstreet in New York. Foto: David Shankbone (CC BY 2.0)

Barak Obama im Februar 2011:

What is absolutely clear, is that we are witnessing history unfold. It’s a moment of transformation that’s taking place, because the people of Egypt are calling for change. They have turned out in extraordinary numbers representing all ages and all walks of life. But: It’s young people, who’ve been at the forefront. A new generation. Your generation – who want their voices to be heard. […] We live in an interconnected world. What happens across the globe has an impact on each and every one of us.

#occuywallstreet entwickelt sich zum globalen Phänomen: Inzwischen gibt es Solidaritäts-Aktionen, Proteste, Demonstrationen und Camps an 1585 (!) Orten auf der ganzen Welt. Für Samstag, den 15. Oktober wird weltweit – je nach Lesart – zur Welt-Revolution (#globalrevolution) oder zum Welt-Wandel (#globalchange) aufgerufen. Was genau passieren wird, das weiß Niemand. Weltweit sind jedenfalls dezentrale Demonstrationen geplant, auch in Deutschland wird es Demonstartionen in mehr als 50 (!) Städten geben

 

Die alten Eliten können – oder wollen – keine Antworten mehr liefern auf die Fragen der neuen Zeit. Unser altes System ist in seinen Grundfesten erschüttert und wankt. Was 2008 mit der Kernschmelze des globalen Finanz-Systems begann, ist bei den Menschen angekommen, manifestiert sich nun in weltweiten Unmutsbekundungen der Massen, denen die Lebensgrundlage entzogen wurde und/oder wird. Auch der Mittelstand – das Rückrad eines jeden Gesellschaftssystems – steht mittlerweile weltweit mit dem Rücken zur Wand: Wird eingekeilt zwischen superreichen Oligarchen und dem fahrlässigst vernachlässigten Prekariat. Diese Situation – so hat uns die Geschichte mehrfach gelehrt – ist der Nährboden, auf dem Revolutionen gedeihen…

 

Die #occupy-Bewegung ist hier weniger Auslöser, als vielmehr Manifestation eines weltweitverbreiteten Zorns: Das globale Schneeball-Finanzsystem, das dereinst mit Steuer-Milliarden vor der totalen Selbstauflösung bewahrt wurde, schüttet weiter munter Boni aus, während keines der inhärenten, systemischen Probleme ernsthaft angegangen – geschweige denn auch nur ansatzweise gelöst – wurde. Das sorgt für Unverständnis und Wut – und beflügelt die eigenständige Suche nach neuen Ansätzen und Prinzipien.

 

Während also das Erwachen der Massen voranschreitet und weltweit Volksversammlungen der 99% einberufen werden, um die existenziellen Probleme bottom-up zu lösen, versuchen sich die politischen Kommentatoren in den USA in einer Einordnung des Neu-Entstehenden: Das Spektrum der Analysen zum Thema #occupywallstreet (als Metapher für die neue Dynamik) reicht aktuell von Neo-Anarchismus über “Left-Wing-Tea-Party” bis hin zu einer Astroturfing-Bewegung, geseeded von Personen aus dem Umfeld von Obamas Chicago-Crew – um den Sozialismus in den USA einzuführen (diese Theorie wird überwiegend in Tea-Party-Blogs kolportiert).

 

Aus der Ferne betrachtert erscheint die #occupy-Bewegung jedoch als heterogenes Konstrukt, dass sich gegen eine Einordnung in klassische Muster wehrt: Es sind die “99%“, die die Bewegung tragen, die allmählich verstehen, dass die USA erodieren, dass der “Amerikanische Traum” ausgeträumt ist… Außenhandelsdefizit, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung: Die Zahlen belegen das eindrücklich.

 

Auch wenn die Probleme in Europa aktuell noch nicht so aussichtslos erscheinen wie in den USA: “We live in an interconnected world. What happens across the globe has an impact on each and every one of us.” sagte Obama Anfang 2011 vor dem Hintergrund der Egyptischen Revolution so passend…

 

Und so wird die #occupy Bewegung inzwischen auch in Europa sehr intensiv betrachtet und studiert:

Wichtig ist zunächst der kleinste gemeinsame Nenner dieser Bewegung. Und dieser Nenner ist die Forderung nach einer wirkungsvollen Regulierung der Finanzmärkte, nach der Beschneidung der Macht der Banken und schließlich die Anmahnung einer Politik, die nicht die Interessen einer finanzstarken Minderheit, sondern die der großen Mehrheit vertritt die für all diese kriminellen Machenschaften den Kopf hinhalten soll und deren Interessen nach sozialer Sicherheit und allgemeinem Wohlstand in den letzten Jahrzehnten mit Füßen getreten wurden. Sich auf diesem gemeinsamen Nenner zu solidarisieren, sollte nicht schwerfallen. Es kann nicht Aufgabe einer heterogenen Protestbewegung sein, bis ins Detail ausgefeilte Reformpläne auszuarbeiten – der Protest gibt lediglich die Richtung vor, den genauen Weg müssten diejenigen vorschlagen und in die Diskussion einbringen, die das nötige kritische Wissen haben. [...] Die Lage ist ernst und die Zeit drängt. Dies ist aber kein Argument gegen die Proteste. Im Gegenteil – dies ist eher ein Argument dafür, die Proteste auf konkretere Ziele auszurichten und auf eine noch breitere (Massen-)Basis zu stellen.

Heißt es etwa auf den nachdenkseiten.

 

Auch bspw. Telepolis, die Süddeutsche, oder die ARD versuchen sich an einer Einodnung des neu Entstehenden…

 

Ohne Frage: #occupywallstreet und der “American-Fall” müssen in einer Kausalitätskette mit dem “Arab-Spring”, den Protesten in Griechenland, den Acampadas in Spanien den Studenten-Erhebungen in Chile und den Demonstartionen in Israel interpretiert werden. Die zahllosen, dezentralen Grasroots-Bewegungen des Jahres 2011 sind das Aufbegehren der jungen Generation gegen den enthemmten Finanzmarkt, der die Lebensgrundlage aller bedroht – auch wenn die dadurch entstehenden Probleme von Land zu Land variieren. Inzwischen schließen sich auch die “Alten” an. “It’s young people, who’ve been at the forefront. A new generation. Your generation – who want their voices to be heard.” Auch hier hatte Obama recht.

 

Was wir in Form der weltweiten Bewegungen gerade erleben ist schlichtweg die zunächst noch zaghafte, gesamtgesellschaftliche Manifestation der Prinzipien der nächsten Generation. “Eine andere Welt ist möglich!” hat sich das Weltsozialforum  – die Gegenveranstaltung zum Davoser Weltwirtschaftsforum – auf die Fahnen geschrieben… Süß, dieser Idealismus. EINE ANDERE WELT IST NÖTIG!

 


von fab am 14.Okt.2011 in politik

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