Die Feinen Unterschiede #4 – Patriotismus und Militär

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Werbung in der Toulouser U-Bahn: "Sei ein Führer"

„Être un Leader“ – „Sei ein Führer“. So prangt es derzeit an den Wänden der Toulouser U-Bahnstationen. Gleich daneben folgt in großen Lettern der nächste Spruch: „Seine Grenzen überschreiten“. Und auf einem Dritten folgt dem Slogan „Was machst Du, damit sie Dir folgen? – Werde Du selbst“. Immer dabei die Internetseite, die all dies möglich zu machen scheint: Es ist die Seite der französischen Armee. Aber wo liegt eigentlich das Problem? Was wird mit diesen Werbe-Slogans denn problematisches gesagt? Natürlich bewegt sich die ganze Kampagne noch in einem gewissen Rahmen. Und doch bleibt zumindest ein Geschmäckle. Zumindest für den außen stehenden Beobachter. Von französischer Seite habe ich bisher keine derartige Reaktion vernommen.

 

Dies liegt wohl an einer zumindest teilweise sehr unterschiedlichen Sozialisation von Deutschen und Franzosen, die unweigerlich mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen zu tun hat. Denn, wenn man dies überhaupt so sagen kann, so scheint das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte zumindest eine positive Spätfolge zu haben. Gemeint ist der heutige Umgang der Deutschen mit ihrem Land und dem Militär, der ein anderer zu sein scheint als beispielsweise in Frankreich. Ohne die Bundeswehr gutheißen zu wollen, ist ihr Auftreten bis heute doch immer noch eher zurückhaltend. Und auch wenn es etliche schrecklich-schlechte Bundeswehr-Werbungen gab, findet sich dabei doch keine, wie die oben genannte.

 

„Was machst Du, damit sie Dir folgen? – Werde Du selbst“

Eben deshalb weil in Deutschland im Unterschied zu Frankreich die öffentliche Empörung deutlich größer wäre. In Frankreich hingegen wird sich an dieser Kampagne nicht gestört. Dort hat man ein ganz anderes Verhältnis zur Armee. Warum auch nicht? Die französische Armee hat ja nichts verbrochen, was den Verbrechen der Deutschen nahe kommt. Und das stimmt natürlich auch! Trotzdem kommt hier ein wohl deutlich zu unkritischer Blick der Franzosen auf „ihre“ Armee zum Vorschein. Denn dass auch diese Verbrechen verüben kann, hat sie beispielsweise bei ihrem Vorgehen im Algerien-Krieg gezeigt. Doch wird so etwas im kollektiven Gedächtnis auch der Franzosen allzu gerne vergessen. Anders lässt sich der ungebrochene Nationalstolz kaum erklären.

 

Die heutige Bundesrepublik dagegen kommt, von fußballbedingten ‚’Schland-Ausbrüchen’ abgesehen, im Vergleich dazu meist wohltuend unpatriotisch daher. Vielmehr üben sich viele Deutsche zum Glück bis heute meist in Demut. Dies merkt man nicht zuletzt an sich selbst, während eines solchen Auslandsaufenthalts. Noch stärker fällt dies natürlich auf wenn dieser in einem Land verbracht wird, das sich selbst die „Grande Nation“ nennt und Nationalfeiertage wie den am 14. Juli gerne mit allergrößtem – auch militärischem – Pomp feiert.

 

Mag sein, dass dies nun alles ein wenig übertrieben klingt. Stattdessen könnte es sogar eher ein bisschen streberhaft wirken, nur ja die unpatriotischste Nation zu sein und sich so indirekt doch wieder als die bessere Nation darzustellen. Und vielleicht sind die angesprochenen Punkte ja auch alles Gesten, die man sich als „Siegernation“ leisten kann. Übel aufstoßen tun sie trotzdem.

 


von chris am 06.Nov.2011 in globus

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