In zwei Wochen durch den Iran #2: Unterwegs nach Yazd

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15.7., Teheran:

 

Unser erster ganzer Tag im Land. Der Plan war eigentlich: Frühstück und los nach Yazd, aber das klappt nur bis zur Ankunft an der Busstation, wo sich herausstellt, dass der nächste Bus erst um 18 Uhr fährt – also haben wir noch fünf Stunden Zeit. Und so geht es mit der (übrigens ausgezeichnet funktionierenden und international ausgeschilderten) Metro zurück nach Teheran, Ecke Bazaar und Imam Khomeni Moschee.

 

Nahe der Moschee beginnen wir das erste Mal, die Kamera auszupacken und etwas offensiver als Touristen aufzutreten – mit Erfolg: Keine dummen Fragen, keine Polizei, nur ein paar Leute, die interessiert schauen. Letztendlich kommen wir mit Zweien ins Gespräch. Es handelt sich um Bazaris (Händler) auf dem Goldmarkt. Beide sprechen fließend Englisch, beschweren sich über die Regierung und laden uns zu sich nach Hause ein (wären wir ein paar Jahre früher gekommen, so meinten sie, würden sie uns „underground“ zum Feiern bringen, dafür seien sie jetzt aber zu alt). Leider haben wir schon unser Ticket nach Yazd, das muss also warten – vielleicht bis in ein paar Tagen, wenn wir nach Teheran zurückkommen.

 

Eingang der Imam-Khomeni Moschee nahe des Bazaars in Teheran

Anschließend besuchen wir einen riesigen schönen Park mitten in Südteheran, leider ist das empfohlene Restaurant dort geschlossen, also geht es weiter zum uns bereits bekannten Imam Khomeni Square, wo wir ein super Restaurant finden. Dann zurück zur Busstation. Dabei quatschen uns ein paar Azeris an. Zuerst kommen sie uns nervig vor, dann aber stellen sie sich noch als sehr nett heraus. Sie wollen nur etwas mit uns scherzen, bis ihr Chef kommt und sie zurück zur Arbeit ruft. Um 18:00 Uhr geht dann unser Bus.

 

An dieser Stelle ist denn auch Zeit, über die negativen Seiten bis dahin zu reflektieren. Iran begeistert mich zwar sehr und ich bin geneigt, beinahe jedem eine Reise hierher zu empfehlen, aber man braucht viele Nerven und Energie! Alles ist mal wieder um so viel anstrengender als in Deutschland. Vieles ist etwas verwirrend und so manches Mal fragt man sich, warum man sich das eigentlich alles antut. Erstens gibt es auch hier leichte Tendenzen zum Abzocken von Touristen. Mal sind es Kleinigkeiten, wie dass der Hotelbesitzer nicht sagt, dass es eine Metro gibt zum Zielort (10 Cent) sondern ganz freundlich tuend einen Freund anruft, der einen “netterweise” hinfährt (7 Euro). Ein anderes Mal ist es im Bus nach Yazd, wo uns dann plötzlich erklärt wird wir hätten gar kein Ticket nach Yazd und müssten jetzt nach Kerman fahren und nochmal ein paar tausend Rial extra zahlen. Quatsch natürlich. Gott sei Dank können wir wenigstens die Schrift lesen und energisch auf das deutlich zu lesende Yazd auf dem Ticket verweisen. Es sind viele dieser Kleinigkeiten, die dem Unerfahrenen wie mir hier das Reisen manchmal etwas stressig machen.

 

Auch ist mir sehr bewusst, dass ich männlich, nicht-jüdisch, nicht schwul etc. bin, wodurch ich es hier um vieles einfacher habe als viele andere.

 

Eines der vielen Überbleibsel alter persischer Größe

Fragen der Nacht:

 

1. Wie gesagt kommt dann irgendwann die Frage in den Kopf:_Warum tue ich mir das eigentlich an. Ostsee, Bayerischer Wald oder Italien sind ja auch schön. Abenteuerlust? Interesse am Exotischen? Zweifel an den simplifizierten Darstellungen in unserer Medienlandschaft? Verantwortungsbewusstsein? Also wenn die nicht zu uns kommen können, müssen wir halt zu ihnen kommen, um unsere Differenzen zu verringern? Wahrscheinlich eine Mischung aus Allem.

 

2. Trotz kleiner Unannehmlichkeiten von Zeit zu Zeit bin ich nach wie vor begeistert und die Frage, warum dieses Land so verteufelt wird, drängt sich natürlich auf. Sehr lebhaft habe ich noch so manche Reaktion auf meine Reisepläne im Kopf (positive gab es natürlich auch en masse). Z.B.: „Was, Iran?! Dieses Land konnte ich noch nie leiden! Was willst du denn dort, voll gefährlich!! Alles Fundamentalisten!“, etc. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen anderer Reisender, die man hier trifft. Klar, mir ist schon der ein oder andere Grund bewusst, aber wodurch sich dieses Land dann so sehr abhebt, finde ich fragwürdig. Finanzierung von Terrorgruppen, Unterdrückung von Menschenrechten, Angriffsrhetorik gegenüber anderen Staaten. So oder so ähnlich machen wir im Westen oder eben einige unserer engsten Verbündeten das ja auch. Natürlich fragen sich auch die Menschen hier genau dass – was haben wir euch denn getan dass ihr uns so behandelt? Wir haben noch nie einen Angriffskrieg geführt, wir haben noch nie Massenvernichtungswaffen eingesetzt, womit haben wir das verdient? Klar, diese Frage ist komplex und vielschichtig. Bevölkerung ist nicht gleich Regierung. Eine eindeutige Antwort kann und will ich hier gar nicht geben, aber nachdenken sollte man doch etwas darüber.

 

16.7., Yazd:

 

Plötzlich um 3 Uhr nachts werden wir geweckt, raus raus, Ankunft in Yazd, besser gesagt irgendwo in der Pampa nahe Yazd. Da wir die einzigen zwei sind, die dort hin wollen, hat der Fahrer keine Lust in die Stadt rein zu fahren und lädt uns bei einem Taxi ab. Wir sind mächtig verballert, haben aber das Glück, einen sehr freundlichen und ehrlichen Taxifahrer zu erwischen. Mit Händen und Füßen verständigen wir uns, er ist Belutsche oder so, kann kein Wort Englisch, aber irgendwie geht es dann doch mit einer Mischung aus Kauderwelsch-Farsi, Arabisch, Zeichensprache und Mimik. Er erklärt uns zum Beispiel: Die mit dem Turban sind doof, weil die die Jihudi umbringen wollen und darum gibt es hier so viele Probleme. Letzten Endes bringt er uns nach langer Suche zu dem von uns angegebenen Hotel, fährt nicht ab bis klar ist dass wir unterkommen (4 Uhr nachts!) und weigert sich standhaft, auch nur einen Rial Trinkgeld anzunehmen. Einfach nett.

 

Im Hotel ist zwar kein Bett frei, aber uns wird (alles auf einem Zettel geschrieben, den uns ein Angestellter freundlich entgegen hält) angeboten, im Hof zu schlafen. Und was für ein Hof das ist, altes Händlerhaus, wunderschön hergerichtet, traumhaft – da hat man zumindest mal ein Argument dafür, warum man solche Strapazen auf sich nimmt.

 

Innenhof unseres Hotels in Yazd

Am nächsten Tag wandern wir durch Yazd (Altstadt wie aus dem Bilderbuch). Auf der Suche nach was zu Trinken platzen wir in irgendeine Gesellschaft in einem Hotel rein, die sich um einen Schönling sondergleichen dreht. Immer noch wissen wir nicht, wer das war, aber er hatte zwei Bodyguards mit Pistolen sowie zwei offizielle Soldaten mit Gewehren an seiner Seite, muss also irgendwer wichtiges gewesen sein. Optisch würde ich tippen: ein Schnulzensänger. Irgendwie stehlen wir ihm dann natürlich doch etwas die Show: Plötzlich will eine Frau ihre Kinder mit uns fotografieren, irgendwo kommt auf einmal auch eine Deutschlandfahne her, die vor uns platziert wird – alles sehr lustig und nebenbei können wir noch ein bisschen mit den Angestellten reden. Der wichtige Mann lässt sich dann auch noch dazu herab, zu uns zu kommen (ungeduscht, verschwitzt und gammlig wie wir da saßen) und sagt auf deutsch „willkommen“, bevor er mit seinem Tross abzieht.

 

Während ich das alles aufschreibe, werde ich schon wieder von einem Hotelangestellten unterbrochen – der massive Redebedarf der Einheimischen wird immer deutlicher. Ich weiß nicht, was ich hier alles schreiben kann oder ob meine Emails irgendwie analysiert (?) werden oder so etwas, aber der Angestellte reiht sich ein als einer, der sich sehr klar zur Situation hier äußert und nicht gerade “begeistert” ist. Kurz, die oben machen halt was sie wollen, die unten leiden – ob Shah oder wer auch immer, daran hat sich in diesem Land noch nie was geändert, meint er.

 

Nachmittags treffen wir einen anderen Deutschen, touren weiter durch Yazd, unterhalten uns mit anderen Leuten. Sehr leise und vorsichtig spricht einer, als es um seine Religion geht – er ist Bahai. Dann kommen wir mit einer etwas naiv wirkenden Spanierin ins Gespräch, die gerade aus Pakistan kommt (komplett verschleiert hat sie sich hinten in einem Bus über die Grenze in den Iran schmuggeln lassen). Mut und Dummheit liegen da mal wieder sehr sehr nahe beieinander.

 

Weiter zu einem der zentralen Plätze hier in Yazd, entspannte Atmosphäre, BMXer, Leute shoppen.

 

Altstadt von Yazd

FAZIT: Ich merke, ich könnte ewig schreiben, aber das faszinierendste ist einfach, dass all die Probleme die man mit diesem Land verbindet – innen- wie außenpolitisch – so fern scheinen, wenn man hier ist. Nur wenn wir über Politik reden (wir tasten uns da gerade vorsichtig voran) kommt eine komische Stimmung auf, alles was vor drei Jahren im Raum stand steht da noch immer, und auch wenn oberflächlich alles super aussieht, weiß man doch, dass es darunter köchelt.

 

Zum Thema Frauen: Geredet haben wir noch mit so gut wie keiner, da sind wir noch sehr vorsichtig. Interessant ist aber folgendes: Alle tragen Schleier, aber sehr viele sehr modisch und so, dass vielleicht ein Viertel der Haare bedeckt wird. Vielleicht kann man sich das im Vergleich zu Ägypten so vorstellen: Hier sagt das Gesetz man muss, aber gesellschaftlich ist der Druck scheinbar nicht so groß, während in Ägypten kein gesetzlicher Kopftuchzwang besteht, der gesellschaftliche Druck aber enorm ist. So manche Frauen, die ich hier gesehen habe, hätten einen schweren Stand in Kairo, schätze ich.

 

 

Das war es mal wieder mit Eindrücken aus dem Iran, geschildert von unserem Gastautor Matthias. Nächste Woche Montag geht es dann mit dem nächsten spannenden Bericht unserer fünfteiligen Iran-Serie weiter.


von gastautor am 15.Okt.2012 in globus

2 Kommentare


  1. Jürgen sagte am 1. November 2012 um 19:41

    Kann es sein, dass du in Kairo zu viele negative Erfahrungen gemacht hast?? So langsam geht mir deine Vergleicherei auf die Nerven. Auch in Ägypten sind nicht alle Frauen tief verschleiert, ich kenne einige Muslima ohne Kopftuch, von den 10% Kopten ganz zu schweigen!
    Wo du wahrscheinlich recht hast, die einfachen Ägypter sind gläubiger, traditioneller, konservativer … bei deinen Vergleichen klingt das aber immer nach Islamismus und Rückständigkeit. Ich glaube da musst du aufpassen, was für ein Islambild du damit bedienst – auch bei ach so aufgeklärten Linken.

  2. Matthias sagte am 5. November 2012 um 13:26

    Hi, naja ich habe einfach in Ägypten gewohnt, gelebt und gearbeitet. Darum ist es für mich naheliegend, die zwei Länder und ihre Städte zu vergleichen. Alles in allem liebe ich Ägypten und fahre auch immer noch ein bis drei mal pro Jahr hin (letztes mal im August, davor im Januar) und habe dort auch sehr sehr wenige schlechte Erfahrungen gemacht. Es sind eher die extrem guten Erfahrungen im Iran, die manche Sachen in Ägypten in ein anderes Licht rücken… Ich weiß ja nicht ob du in beiden Ländern warst, aber dass die ägyptische Gesellschaft religiöser ist als die iranische, war für mich eine sehr offensichtliche Erfahrung (siehe Umgang beider Länder mit dem Rammadan). Und gerade die 10 % Kopten, die von dir angesprochen werden – zumindest die die ich kenne – beklagen sich teils recht vehement über den gesellschaftlichen Druck in Ägypten bzgl. der Einhaltung religiöser Normen (will hier kein Schwarz-weiss-Bild promoten, aber dass hier ein Problem besteht, sollte man denke ich nicht totschweigen, z.b.: http://www.zenithonline.de/deutsch/gesellschaft//artikel/gegen-den-exodus-003403/). Ganz konkret zum Thema Kopftuch: Klar gibt es da in Ägypten viele ohne, aber im Januar, als ich da war, hab ich mehr als einmal erlebt, wie diese Frauen auf offener Straße angegangen wurden – verbal und physisch und das finde ich einfach scheisse, ohne wenn und aber. Und wenn ich das dann eben mit meinen Erfahrungen im Iran, oder auch in Tunesien, Palästina und Jordanien vergleiche, kommt Ägypten in dem Punkt nicht gut weg, so ist es nun mal.
    Wie gesagt, es sind meine Eindrücke, und einer davon ist nun mal dass die Ägypter, wie du ja auch sagst, gläubiger, traditioneller, und konservativer sind. Ich will das nicht per se als schlecht darstellen, aber das eben auch nicht klein reden.
    In diesem sinne sorry für die Nerverei und danke für den Hinweis. Die Krux an der Sache ist in meinen Augen, wenn ich denn nun behaupte dass Ägypten da in dem oder dem Punkt Rückständig ist, dann würde ich nie sagen, dass dies wegen Religion oder Kultur selbst der fall ist (sollte durch die vergleiche zu anderen islamischen Staaten ja klar sein), sondern ich würde viel mehr auf die Diktatur und damit verbundene Nicht-Diskussion relevanter Themen verweisen. Und last but not least, dieser Vergleich (gesellschaftlicher Druck in Ägypten vs. gesetzlicher Druck im Iran) ist eben das Ergebnis von Diskussionen, auch mit iranischen Frauen und eben realen Beobachtungen, insofern stehe ich da weiter zu :).

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