Wie viel wiegt dein Rucksack?

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Mit diesem Rucksack ging Alice auf Weltreise

 

Vor ein paar Jahren fing ich an, Bücher von Jack Kerouac zu lesen. Nicht lange und ich hatte meinen Job gekündigt, mein Auto verkauft und ein Flugticket weg aus meiner neuseeländischen Heimat gebucht – ohne Rückflug. Auch ein Rucksack war schnell gefunden und ich nahm mir vor, nur so viel zu besitzen, wie dort auch hineinpassen würde. Alles andere wollte ich verschenken, oder verkaufen, um meine Reise zu finanzieren.

 

Zugegeben, ich habe es nicht ganz über mich gebracht, alles loszuwerden. Einige Dinge, von denen ich mich wirklich nicht trennen konnte, habe ich in Kisten gepackt und im Keller meiner Mutter deponiert. Aber viel war nicht mehr übrig.

 

Als ich in das Flugzeug Richtung Papua Neuguinea stieg – das war die erste von drei verlängerten Zwischenlandungen auf meinem Weg nach London – wog mein Macpac 12 Kilo und war kompakt genug, um mir als Handgepäck in die Kabine zu folgen. Neun Monate lang lebte ich aus diesem Rucksack. Dabei habe ich viel gelernt über die Kunst, mit wenig Gepäck zu reisen.

 

Hier ein paar Tipps:

 

Wähle einen kleinen Rucksack.

 

Das ist ein entscheidender Schritt. Wer sich für einen kleinen Rucksack entscheidet, ist auf dem besten Weg zur Gepäckminimierung. Warum? Na ja, man tendiert dazu, eine Tasche immer vollzupacken. Wenn man also eine größere Tasche hat, ist es wahrscheinlicher, dass man noch Gegenstände mit dazunimmt, die man eigentlich nicht braucht – und zwar weil sie noch reinpassen. Bei einer kleineren Tasche geht das ganz einfach nicht. Aber mal ehrlich, wäre ein zweiter Pulli wirklich nötig gewesen?

 

Packe multifunktionelle Stücke ein.

 

Der nützlichste Gegenstand in meinem Rucksack war ein Sarong, den ich daheim in einem indischen Geschäft gekauft habe: Er war auf die meisten verschiedenen Arten einsetzbar. Ursprünglich als Wickelrock gedacht, nutzte ich ihn in Papua-Neuguinea auch so, aber im Irak verwendete ich ihn als Kopftuch, während eines kühlen Frühlings in der Schweiz als Halstuch, und auf den dazwischenliegenden Flügen als eine dünne Decke.

 

Wickelrock, Schal, Kopftuch, Decke... Ein Sarong ist vielseitig einsetzbar.

Nur während meines Aufenthalts in London war der Einsatz des Sarongs nicht ganz so erfolgreich: Der Dezember war eisig, und um meine Atemluft vor dem Einfrieren zu bewahren, zog ich den Sarong/Schal bis über meine Nase. Da er aber in den Farben braun, gelb und grün gehalten ist, sah ich aus wie eine etwas verwirrende Mischung aus Anarchist und Rastafari.

 

Trotzdem, das Argument bleibt: Wähle Gegenstände mit vielen Nutzungsmöglichkeiten. Ein Rock, der auch als Handtuch verwendbar ist, ein Handy mit eingebauter Taschenlampe und ein Schmutzwäschebeutel, der auch als bequemes Kopfkissen funktioniert waren nur einige der Dinge, die das Gewicht meines Rucksacks gering hielten.

 

Frage dich, ob du den Gegenstand wirklich brauchst.

 

Du hast einen kleinen Rucksack gekauft, multifunktionelle Gegenstände ausgewählt, und trotzdem passt nicht alles rein?

 

Dann frage dich, „Brauche ich das wirklich?“ Alan, ein Freund von mir, reiste mit einer Knoblauchpresse nach Jemen, und meine Tante trug ein Fläschchen grünen Nagellack mit sich auf den Kilimanjaro. Sicher, beide Gegenstände haben ihren Nutzen – aber man kann wahrscheinlich auch ohne überleben.

 

Eine weitere hilfreiche Frage, die man sich stellen kann, ist: „Wird meine Reise ohne diesen Gegenstand weniger erlebenswert?“ Dein Netbook nicht mitzunehmen scheint auf den ersten Blick vielleicht unvorstellbar, aber überleg’ mal, wie viel mehr Zeit dir für die Erkundung eines Ortes und den Austausch mit seinen Einwohnern übrig bleibt, wenn du dich nicht dauernd im Dickicht der Facebook-Statusmeldungen aus der Heimat verläufst. (Das habe ich selbst auch erstmal lernen müssen.)

 

Zwei Monate vor meiner Heimreise ging meine Kamera kaputt und ich konnte mir keine neue leisten. Ich war überrascht, wie schnell ich mich an ein Leben ohne sie gewöhnte. Stattdessen teilten nun einfach Freunde ihre Photos mit mir. Und schon bald war ich soweit, dass ich meine Kameralosigkeit sogar liebgewann. Auf einmal genoss ich Momente, ohne hektisch nach meiner Kamera zu suchen und dabei gerade das zu verpassen, was ich eigentlich festhalten wollte.

 

Andere Tipps?

 

Versuch’s mal ohne Papier. Digital sind Bücher viel leichter. Wähle Schampoos und Duschgele in Reisegröße, denn Flüssigkeit wiegt viel. Und wenn du etwas nicht benutzt, gib es weiter. Oder, wenn du dich wirklich nicht davon trennen kannst, schicke es dir nach Hause.

 

Und hier noch eine letzte Reiseweisheit von meiner Mitbewohnerin Hannah, die vor Kurzem aus Kambodscha zurückgekehrt ist. „Ziehe eine Unterhose an und nimm noch zwei mit“, sagt sie. „Alles andere ist zu viel. Normalerweise findet man irgendwo ein Waschbecken, in dem man solche Kleinteile waschen kann. In den Tropen trocknen sie auch schnell.“

 

Reisen geht also auch ohne viel Gepäck. Probier’s mal aus. Wenn nicht für ein paar Monate, dann wenigstens für ein paar Tage. Es wird dich vielleicht überraschen, mit wie wenig du leben kannst. Und vergiss nicht, die Kisten im Keller deiner Mutter werden immer noch dasein, wenn du wiederkommst.

 


Unsere Gastautorin Alice kommt aus Neuseeland und ist eine erfahrene Rucksackreisende, die momentan in Honiara auf den Solomon Inseln wohnt. Dort ist sie allerdings immer höchstens ein paar Wochen am Stück – dann packt sie wieder der Reisevirus.


von barbara am 04.Jul.2012 in globus

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