KlangKiste #15

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In den letzten Ausgaben der KlangKiste haben wir uns bereits des Öfteren mit Turntablism beschäftigt, wobei sich das Klangspektrum meist auf Hip-Hop, Jazz oder Blues beschränkte. Zur Abwechslung soll an dieser Stelle eines meiner Lieblingsalben vorgestellt werden, das Debütalbum Birdy Nam Nams, welche den unverkennbaren Klang gescratchten Vinyls um elektronische Klänge zu erweitern verstanden, denn auf eindrucksvolle Art und Weise haben die vier französischen Jungs dicke Elektrobeats mit jazzigen Samples vermengt.

 

Repräsentativ dafür steht wohl „Abbesses“, der Track, der für viele die bekannteste Produktion des Quartetts ist. Der treibende Beat, welcher den Hörer durch rückläufige Scratches immer wieder zurückwirft, macht langsam den Soli der vier DJs Platz, welche wiederum die gesamte Struktur umwerfen um letztlich in einem euphorischen und zugleich schmerzhaften Klangkonstrukt unterzugehen.

 

Während manche Tracks dezidiert elektronischer Natur sind („Escape“, „Engineer Fear“) und andere ungehemmt dem „Vinyl-Pushing“ gewidmet sind („New Steps“ / „Breaking Barriers“, „From Here To There“), gibt es wiederum andere die stark von jazzigen Einflüssen geprägt sind („Kind of laid back“, „Jazz is at home“).

 

Abgesehen von einem Live Album, welches sie im darauffolgenden Jahr veröffentlichten, endet  die glorreiche Stunde von Birdy Nam Nam bedauerlicherweise bereits hier. Die etwa einstündige Aufnahme bringt Altbekanntes vom Album, aber auch bis dato unbekanntes Material, wie das brillante „Poppy“, welches in einem fulminanten Breakbeat Chaos endet, oder das wunderbar upbeat-lastige „Violons II“ in dem das gescratchte Plastik fantastisch zur Geltung kommt.

 

Allerdings markiert dieser Auftritt in Paris auch einen Wendepunkt bezüglich des Stils des Quartetts. Das Label Ed Banger Records, von Busy P, dem ehemaligen Manager von Daft Punk, gegründet, war maßgeblich an der erfolgreichen Kommerzialisierung einer Musikrichtung beteiligt, welche oftmals als „French-Electro“ bezeichnet wurde. Darunter fallen Namen wie Feadz, DJ Mehdi und Mr. Oizo. Dieser neuzeitliche Hype, der zu jener Zeit um sich schlug, machte auch vor den vier Jungs nicht Halt und schickte sie in eine Richtung, welche sie immer weiter von ihrem ursprünglichen Konzept entfernte. Bereits ihr 2009 folgendes Album, „Manual for Successful Rioting“, ließ sämtliche jazzige Elemente zurück und entsprach ansonsten sehr dem elektronischen Einheitsbrei, der aus Frankreich herüberschwappte. Schnelle, harte und kreischende Synthesizerklänge verbannten die gescratchten Elemente, welche Birdy Nam Nam erst berühmt gemacht hatten, fast vollständig. Man musste „en vogue“ sein, sich an den internationalen Erfolgen von Künstlern wie Justice, Kavinsky und Mr. Flash messen und ließ das Album von Yuksek produzieren, sowie Justice einen Remix erstellen. (Mittlerweile schreckt man auch nicht mehr davor zurück, einen Remix von Skrillex machen zu lassen.)

 

Was 2009 schon nicht funktioniert hatte, wurde 2011 mit ihrem letztem Album „Defiant Order“ auch nicht besser. Elektronische Musik lag immer noch schwer im Trend und um ein möglichst breites Publikum zu erreichen, verfiel man dem Mainstream schließlich voll und ganz. Manche Tracks mögen zu später Stunde durchaus annehmbar sein, doch für ein interessantes und anspruchsvolles Musikerlebnis sind sie eher ungeeignet. Alles Raffinierte und Innovative was in ihrem ersten Album steckte ist verloren gegangen und ist zu einem Vocoder-generierten Klangmatsch verfallen, welcher auf eine einst große Geschichte zurückblicken kann.

 


von max am 19.Okt.2012 in kultur

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