KlangKiste #4
Der DJ, der in den 80er- bzw. 90er-Jahren neben dem MC zentraler Bestandteil der Hip-Hop Szene war, emanzipierte sich zusehends im Zuge der rasanten Kommerzialisierung des Hip-Hops. Die Fähigkeiten, welche diese DJs im Laufe ihrer Hip-Hop Karrieren erlangt hatten, wurden von nun anzur Produktion eigener Tracks verwendet. Durch das kunstvolle Mixen verschiedenster Samples mit dem unverkennbaren Scratchen entstand eine ganz eigene Musikrichtung, welche 1985 von John Oswald in seinem hervorragenden Essay Plunderphonics, or Audio Piracy as a Compositional Prerogative¹ im Ansatz beschrieben wurde.
Zahllose junge kreative DJs brachen in einem neuen Sturm auf das schwarze Vinyl und die unvergesslichen Technics-Turntables los. Die Tracks, die zunächst stark von Hip-Hop Beats beeinflusst waren, übernahmen mehr und mehr Einflüsse aus Jazz, Funk, Blues, Dub, usw. Und bis zum heutigen Tage umweht eine fast mystische Atmosphäre diese DJs, die allein mit ihren Plattenspielern ganze Bands ersetzen konnten. Da wird plötzlich durch das richtig getimteScratchen eine Trompete erschaffen, oder Gitarrenklänge werden so in die Länge gezogen, dass man sich an eine Sitar erinnert fühlt. Und stets muss man sich erinnern, dass ein jeder Klang allein vonden Schallplatten stammt. Livekonzerte welche durch Spezialkameras die Fingerfertigkeit der DJs festhalten sind somit ein einmaliges Ereignis. Die Diversität dieses Genres scheint fast unerschöpflich zu sein, und so soll an dieser Stelle einigen der schönsten Tracks des Turntablisms gehuldigt werden.
DJ Shadow – Organ Donor
Wenn es um Turntablism geht, führt kein Weg an DJ Shadow vorbei. 1996 schrieb der kalifornische DJ Musikgeschichte, als er mit das erste Album erschuf, welches ausschließlich mithilfe von Samples entstanden ist. Von diesem Album stammt auch der folgende grandiose Track welcher stark verzerrte Gitarrenriffs mit einem unvergesslichen Orgelinferno vermischt. In diesem Sinne gibt es hier die verlängerte Version von „Organ Donor“.
http://soundcloud.com/mimi-2/organ-donor-dj-shadow
RJD2 – 2 More Dead (Hundred Strong Remix)
Der nächste Track stammt ebenfalls von einem amerikanischen Musiker und Hip-Hop-Produzenten. RJD2 hat in Zusammenarbeit mit dem britischen Künstler Scott Hendy aka Boca 45 einen wunderbar erfrischenden Track mit federleichten Vocals und einem grandiosen Trompetensturm kreiert.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=5GeFo_GWTbQ
DJ Vadim – Conquest Of The Irrational
Aus dem gegnerischen Lager beliefert uns diesmal der Russe DJ Vadim. Der unglaublich produktive Produzent, der viel mit französischen Rappern zusammenarbeitet und durchschnittlich 170 (!) Konzerte im Jahr spielt, hat hier einen schweren streicherlastigen Track geschaffen, welcher den Hip-Hop Einfluss des jungen Mannes deutlich spürbar macht.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=oAa2nJNSpwA
Deltron 3030 – Madness
Einer der zur Zeit wohl am heißesten umworbenen Turntablists ist zweifellos Erik San alias Kid Koala. Der gebürtige Kanadier, der in unzähligen Projekten mitwirkt, hat mithilfe von Dan The Automator, einem weiteren Turntablevirtuosen, und Teren Delvon Jones, besser bekannt als der Rapper der Gorillaz, eines der beeindruckendsten Hip-Hop Projekte gegründet. Auf ihrem grandios intelligenten Erstlingswerk ist dieser Track erschienen, welcher die unvergleichlichen Rapkünste Jones mit dem virtuosen sampling der beiden DJs vermischt.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=v_HW_AQiKkc
Kid Koala – Moon River
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, schließen wir die heutige Woche mit einem Track aus Kid Koalas Soloprojekt. Wunderschön reinterpretiert Erik San hier den Titelsong von „Frühstück bei Tiffany“ und unterlegt ihn mit warmen elektronischen Tönen. Kein Wunder, dass das der Lieblingstrack seiner Mutter ist.
http://soundcloud.com/contactredowl/moon-river-kid-koala
¹http://www.plunderphonics.com/xhtml/xplunder.html